Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
Stimme: »Vor einigen Stunden hast du mich noch darum gebeten, dich und deine Familie mit nach Europa mitzunehmen. Zu ebenjenen Ungläubigen und Schamlosen.« Mein Ton wurde noch schärfer. »Ich denke, darüber brauchen wir jetzt nicht mehr zu diskutieren. Besser, du bleibst mit deiner Familie hier. Schließlich möchte ich nicht, dass ihr mit ungläubigen, schamlosen Menschen zusammenleben müsst«, fügte ich zynisch hinzu.
Neugierig verfolgten die anderen Hotelgäste, die ihre Bücher und Zeitungen weggelegt hatten, unsere Debatte. Doch das war mir egal, jeder hier durfte hören, dass ich mich nicht unterdrücken ließ, sondern wie schon so oft in meinem Leben wehrte. Idriss starrte mich völlig entgeistert an und kratzte sich nachdenklich am Kopf. Seine Tochter, die meine Oberschenkel noch immer fest umklammerte, spähte seitlich an mir vorbei, um das Gesicht ihres Vaters zu betrachten. So hatte noch nie eine Frau mit ihm gesprochen.
Nach einer Weile räusperte er sich. »Hm, eigentlich bin ich hergekommen, weil mein Auto liegengeblieben ist. Es ist kaputt. Ich muss nach Balbala zurück und habe kein Geld mehr für ein Taxi«, rückte er endlich mit der Sprache heraus.
»Ich habe dir doch erst vor weniger als drei Stunden dreitausend Dschibuti-Francs gegeben. Was hast du denn mit dem Geld gemacht?«, fragte ich, obwohl ich natürlich genau wusste, was er sich gekauft hatte.
»Ähm … Ich musste noch ein paar offene Rechnungen bezahlen«, stotterte Idriss. »Ich brauche noch mal fünfhundert Dschibuti-Francs. Meine Familie wartet in Balbala auf mich!«
Da kam Joanna um die Ecke und steuerte direkt auf uns zu. Mit vor Erstaunen geöffnetem Mund verfolgte sie unseren Streit.
»Und was wird jetzt aus Safa?«, fragte ich Idriss schroff.
»Na ja, ich bin zwar sauer auf dich, aber wenn sie hierbleiben möchte, dann darf sie eine Nacht bei dir verbringen«, lenkte er unverhofft ein. »Jetzt brauche ich erst einmal das Geld, damit ich wieder nach Hause komme.«
Während ich noch überlegte, reichte mir Joanna die von Idriss geforderte Summe. »Hier, Waris, das sind fünfhundert Dschibuti-Francs, gib sie ihm einfach.«
Safas Vater nahm das Geld, machte jedoch keinerlei Anstalten zu gehen.
»Was ist denn jetzt noch?«, zischte ich ihn an. Im Grunde meines Herzens tat mir der Mann leid, denn ich wusste nur zu gut, was Armut und Hunger mit einem Menschen machen konnten. Doch in diesem Moment war ich zugegebenermaßen einfach genervt davon, dass er in mir eine finanzielle Melkkuh sah.
»Noch etwas«, ergriff Idriss prompt die Gelegenheit für seine nächste Forderung. »Ich brauche ein neues Auto, und zwar schnell. Dann kann ich als Taxifahrer arbeiten und meine Familie ernähren. Ich kann nämlich richtig gut Auto fahren«, argumentierte er. »Bis morgen brauche ich eine Million Dschibuti-Francs, dann verkauft mir ein Freund sein Auto. Ich bin mir mit ihm schon einig und könnte den Wagen gleich morgen abholen.«
Der Gedanke, dass der Mann endlich Arbeit hätte und sich nicht mehr die Zeit mit dem Konsum von Kath vertreiben würde, gefiel mir. »Na gut«, sagte ich. »Lass uns morgen darüber sprechen.« Mir fehlte im Augenblick die Kraft, weiter mit ihm zu diskutieren. Die Dämmerung brach langsam über Dschibuti herein, und ich wollte nur noch etwas essen und dann bald ins Bett.
Safa holte sich ein Badetuch, das sie um ihre zarten Schultern legte. Unsicher blieb sie wieder neben mir stehen und blickte ihren Vater an. »Muss ich jetzt mit dir mitkommen?«
»Nein, du kannst hierbleiben«, antwortete Idriss. »Aber morgen früh um sieben stehst du vor dem Hotel. Ich habe einen Termin in der Stadt und werde dich deshalb selbst zur Schule bringen, also sei pünktlich.«
Ich fragte mich, mit welchem Wagen er die Kleine abholen wollte, wo die gelbe Klapperkiste doch angeblich heute liegengeblieben war. Aber ich wollte die Diskussion nicht erneut hochkochen lassen, also schwieg ich. Idriss drehte sich um und verließ zu unser aller Erleichterung die Hotelanlage.
Nach einem guten Abendessen zog ich mich mit Safa endlich in mein Zimmer zurück. Ich rief noch schnell zu Hause an und sprach kurz mit meinen Kindern, dann gingen wir schlafen. Das kleine Mädchen kuschelte sich zu mir ins Bett und legte seine Hand in meine.
»Danke, Waris«, seufzte sie tief.
Noch bevor ich etwas erwidern konnte, war sie erschöpft eingeschlafen. Vorsichtig tastete ich mit der anderen Hand nach meinem Handy, das wie immer auf dem
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