Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
Comeback
P ünktlich um kurz vor sieben am nächsten Morgen brachte ich die kleine Safa, diesmal zu Fuß, zu der nur wenige Gehminuten vom Hotel entfernten Schule.
Höflich hatten sich ihre Eltern und Brüder, ebenso wie die Familie des kleinen Idriss, spätabends bei uns bedankt und verabschiedet. Von den aufschlussreichen Gesprächen und den großen Plänen, die wir geschmiedet hatten, völlig aufgeputscht, hatte ich noch lange wach im Bett gelegen. Wie sollte das alles weitergehen? Würde ich Safa, die leise schnarchend neben mir lag, für immer beschützen können? Wie würden wir Inab von ihren schrecklichen Schmerzen befreien können? Unzählige Gedanken waren mir durch den Kopf geschwirrt, nicht zuletzt der traurige Ausblick auf meine baldige Abreise. Die Tatsache, dass ich mein Patenkind zurücklassen musste, zerriss mir schon jetzt das Herz. Doch davon ahnte das fröhliche Mädchen, von dem ich mich jetzt vor dem Schultor mit einem innigen Kuss verabschiedete, bisher noch nichts.
Kaum zurück im Hotel, fing mich noch in der Lobby der Direktor ab. »Liebe Frau Dirie«, wandte er sich bittend an mich, »ich hätte ein großes Anliegen an Sie.« Gebannt hörte ich dem gebürtigen Franzosen zu. »Heute Abend findet hier im Hotel das alljährliche Galadinner des Lions Clubs von Dschibuti statt, und wir würden uns freuen, Sie als Ehrengast begrüßen zu dürfen«, sagte der Manager. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Sie werden dabei bestimmt viele für Sie äußerst interessante Menschen kennenlernen, die Ihnen vielleicht bei Ihrer Mission in Dschibuti behilflich sein können. Es kommen mehrere Minister, zahlreiche Botschafter, die Vertreter großer Organisationen und die Direktoren unserer internationalen Schulen.«
Das klang in der Tat interessant. Natürlich wollte ich, wenn ich schon einmal vor Ort war, keine Gelegenheit auslassen, um mein Netzwerk auszuweiten. Daher bedankte ich mich und sagte für mich, Joanna, Fardouza und Linda zu.
Gerade als ich mich verabschieden wollte, kam eine junge, modern gekleidete Afrikanerin auf den Hoteldirektor zugeeilt. »Entschuldigen Sie bitte, Herr Direktor, ich habe bereits alle Modelle anliefern lassen und wollte fragen, wo sich meine Models für den heutigen Abend zurechtmachen können?«
»Darf ich die Damen bekannt machen?«, unterbrach der Manager die aufgeregte Frau.
»Frau Dirie, das ist Sagal, eine erfolgreiche Modeschöpferin aus Dschibuti. Sie wird heute Abend ihre neue Modekollektion präsentieren. Sagal, das ist …«
»Waris Dirie«, vollendete die Designerin seinen Satz. »Natürlich kenne ich Sie, ich habe schon viel von Ihnen gehört. Für uns afrikanische Mädchen sind Sie ein großes Vorbild. Schließlich träumen wir alle davon, eines Tages so wie Sie in der Modewelt Fuß zu fassen. Die somalischen Models sind auf der ganzen Welt für ihre Schönheit bekannt. Das ist auch gut so, denn dann verbinden die Menschen Somalia nicht immer nur mit diesem idiotischen Bürgerkrieg und Piratenangriffen. Ich stamme übrigens ebenfalls von dort.« Der Redefluss der jungen Unternehmerin war nicht zu bremsen. »Waris, modeln Sie eigentlich noch gelegentlich?«, hängte sie gleich noch eine Frage an.
Ich zögerte. Schon vor vielen Jahren hatte ich mich von den Catwalks dieser Welt verabschiedet und sämtliche Angebote für ein Comeback stets abgelehnt. Lediglich für karitative Zwecke stand ich manchmal noch vor der Kamera. Ich äußerte meine Bedenken, doch Sagal erklärte mir, dass die erzielten Einnahmen aus der Show zu einhundert Prozent an den Lions Club von Dschibuti gingen.
»Mit dem Geld werden öffentliche Schulen unterstützt. Bitte laufen Sie mit. Eine Show mit Waris Dirie wäre nicht zu toppen.« Sie sah mich flehend an.
»Ehrlich gesagt hatte ich nicht vor, jemals wieder einen Catwalk zu betreten. Aber was tut man nicht alles für den guten Zweck und um junge Talente zu unterstützen?«, sagte ich lachend. »Also gut. Ich bin dabei. Aber ich werde nicht alleine auf den Laufsteg gehen.« Die Designerin sah mich fragend an. »Ich bringe jemanden mit. Lassen Sie sich überraschen.«
Die Designerin war hellauf begeistert und wollte gar nicht mehr aufhören, mir zu danken.
Bei dem anschließenden ausgiebigen Frühstück dachte ich noch einmal über meine kurzfristige Zusage zu der Modenschau und die aufgeweckte Organisatorin nach. Der Hoteldirektor hatte mir auf meine Nachfrage hin etwas mehr über Sagal erzählt. Sie war als junges Mädchen
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