Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
nach Kanada gegangen, um dort Modedesign zu studieren. Zurück in Afrika, gründete sie eine eigene Gruppe von Näherinnen, die ihre modernen Kreationen schneiderten. Damit entwickelte sie nicht nur einen ganz besonderen, unverwechselbaren Stil, sondern schuf vor allem auch Arbeitsplätze für junge, kreative Frauen, die sich so von ihren Familien und Männern unabhängig machen konnten.
Sagals Geschichte ließ in mir die Hoffnung wachsen, auch die Mädchen, die ich hier unter meine Fittiche genommen hatte, würden eines Tages auf eine derartige Erfolgsgeschichte zurückblicken können. Auch wenn der Weg bis dorthin ganz sicher lang und steinig sein würde.
»Safa, ich habe eine Überraschung für dich!«
Ich konnte es kaum erwarten, meinem Patenkind von dem aufregenden Abend zu berichten, der uns beide erwartete. Ungeduldig hatte ich vor der Schule auf sie gewartet, und nun waren wir gemeinsam auf dem Weg zurück ins Hotel.
»Wenn du möchtest, darfst du mit mir heute über einen Catwalk laufen«, sagte ich, gespannt auf ihre Reaktion.
»Was ist ein Catwalk?«, erwiderte Safa neugierig.
Immer wieder vergaß ich, dass dieses Kind in einer gänzlich anderen Welt aufgewachsen war und daher vieles, das über die Jahre hinweg für mich völlig normal geworden war, gar nicht kannte. Ich beschrieb Safa mein Vorhaben, heute Abend zusammen mit ihr schöne Kleider zu präsentieren. »Aber nur, wenn du keine Angst vor den vielen Menschen hast, die uns zusehen werden«, lautete meine Bedingung.
Wie ich schon vermutet hatte, kannte die Siebenjährige keinerlei Scheu. »Das ist ja toll! Jetzt bin ich auch ein Model, so wie du, Waris«, freute sie sich. »Das müssen Maman und Papa unbedingt sehen. Können wir die beiden einladen?«
Ich erschrak. Zwar hatte ich Idriss am Vorabend bei dem Essen dafür gewinnen können, mich und die Foundation bei unserem Kampf gegen die Genitalverstümmelung zu unterstützen, und er würde es vielleicht sogar akzeptieren, dass Safa für einen guten Zweck modelte. Doch der böse Blick, den mir Safas Mutter Fozia gestern Abend zugeworfen hatte, saß mir jetzt noch in den Knochen. Sie würde ihre Tochter ganz sicher nicht gerne auf einem Laufsteg wie ein westliches Mädchen posieren sehen.
Nur wie konnte ich Safa den Wunsch abschlagen, dass ihre Eltern bei ihrem ersten großen Auftritt dabei waren? Wie oft hatte ich mir sehnsüchtig gewünscht, dass meine Familie mich sehen könnte, als ich meine ersten Erfolge als Model feierte. Hunderte Menschen hatten im Publikum gesessen, und trotzdem hatte ich mich einsam gefühlt.
Im Hotelzimmer angekommen, rief ich sofort Fardouza an. »Du musst unbedingt etwas für mich erledigen«, bat ich die gute Seele, die in den letzten Tagen schon so vieles mit uns erlebt hatte. Ich erzählte ihr von meinem Auftritt heute Abend und davon, dass ich Safa gerne mit auf den Laufsteg nehmen wollte. »Natürlich hat die Designerin keine Kinderkleider«, führte ich mein Anliegen aus. »Könntest du ein Kleid für Safa besorgen?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, fuhr ich fort: »Ach ja, die Kleine möchte ihre Eltern dabeihaben. Würdest du Fozia und Idriss bitte einladen?«
Fardouza beruhigte mich. »Kein Problem, ich erledige das.« »Welches Kleid könnten wir Safa anziehen?«, fragte ich nach.
»Mache dir keine Sorgen Waris, ich habe da einen Idee«, antwortete Fardouza und legte grußlos auf.
Die Dämmerung war über Dschibuti hereingebrochen. Ich stand am Fenster meines Zimmers und blickte hinunter auf die Terrasse, auf der wir gestern zusammen mit den Familien von Safa und Idriss gegessen hatten. Heute sah es dort unten jedoch völlig anders aus. Bunte Scheinwerfer ließen die Bäume der gesamten Hotelanlage in prächtigen Farben erstrahlen. Weiße Spots zauberten große, hell erleuchtete Kreise, die über den türkisblauen Swimmingpool tanzten. Quer über den gesamten Swimmingpool führte ein roter Laufsteg, der von unzähligen Stühlen und großen schwarzen Musikboxen umgeben war. Der Bass der Musik, offensichtlich fand gerade ein Soundcheck statt, dröhnte bis zu uns herauf. Neben mir drückte Safa ihre kleine Nase an der Fensterscheibe platt.
»Über das Ding da müssen wir drüberlaufen?«, fragte sie mich fassungslos und zeigte auf den Catwalk, der im Vergleich zu internationalen Laufstegen wie eine Miniatur wirkte.
Ich zupfte Safas Kleid zurecht. Fardouza hatte mal wieder einen genialen Einfall gehabt. Wie die meisten Mädchen in Balbala
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