Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
verpflichtet, Safas Familie zu unterstützen und dem Mädchen so die Genitalverstümmelung zu ersparen.«
Ich war mir nicht sicher, wie die Gäste, unter denen sich wie angekündigt viele einheimische Politiker und Opinionleader befanden, auf meine Worte reagieren würden. Doch zu meiner Überraschung begannen nun allesamt begeistert in die Hände zu klatschen.
»Es wäre schön, wenn Sie möglichst vielen Menschen da draußen von unserer Arbeit erzählen würden«, unterbrach ich den Applaus. »Erzählen Sie den Mädchen und Frauen, dass es nicht notwendig ist, zu leiden. Dass weder Religion noch Tradition dieses Martyrium verlangt oder rechtfertigt, das ihnen angetan wird. Erzählen Sie ihnen ruhig auch von Safa, diesem gesunden, glücklichen, fröhlichen Mädchen, das zum Vorbild aller werden sollte.«
Erneut spendeten die Zuschauer lauten Beifall, ich hielt den Blick jedoch weiterhin auf Idriss und Fozia gerichtet. Hatten die beiden meine Botschaft verstanden?
Nach der Show und den Reden einiger hochrangiger Mitglieder des Lions Clubs nahmen die Gäste des Galaabends im Hotelrestaurant an schön gedeckten runden Tischen Platz. Safa und ich saßen neben dem Hoteldirektor und Sagal, die ihren Erfolg ausgelassen feierte. Uns gegenüber hatte man Joanna, Fardouza, Linda und Safas Eltern plaziert. Immer wieder kamen Gäste von anderen Tischen zu uns herüber, begrüßten mich freundlich und richteten ein paar liebevolle Worte an mein Patenkind, das sein Glück über die große Aufmerksamkeit kaum fassen konnte.
Nach dem Essen ging ich nach draußen, um mich ein wenig von dem Trubel zu erholen und ein bisschen frische Luft zu schnappen. Unter der Arkade der Hotelterrasse blieb ich stehen und beobachtete das Personal beim Abbau der Kulisse, in der Safa und ich heute Abend die Hauptdarstellerinnen gewesen waren. Da trat plötzlich eine dunkle Gestalt neben mich. Safas Mutter, wie immer in einen traditionellen Hijab gehüllt, war mir gefolgt. Schweigend stand sie eine Weile neben mir und rang offensichtlich nach Worten. Gespannt, was da nun auf mich zukommen würde, wartete ich schweigend ab.
»Das ist ja alles schön und gut«, begann Fozia endlich auf Somali. Ihre dunklen Augen funkelten mich feindselig an. »Aber wir beide wissen, dass du in wenigen Tagen nicht mehr da bist und dass dann für uns alle … auch für Safa … wieder der Alltag beginnt. Und dieser Alltag, Waris, ist kein Märchen wie all das hier.« Mit einer ausladenden Handbewegung deutete sie in den bunt beleuchteten Garten. »Der Alltag sieht so aus, dass wir immer mehr zu Außenseitern werden. Dass wir geächtet werden, weil wir eine unreine, unbeschnittene Tochter haben. Du stammst selbst vom Stamm der Darod ab.« Bedrohlich klopfte mir die kleine Frau mit dem Zeigefinger aufs Brustbein. »Du weißt, wie mit Frauen umgegangen wird, die sich den Traditionen nicht unterwerfen. Doch dir ist das egal, denn du lebst ja nicht hier. Du bist geflohen!« Fozias Stimme wurde nun lauter. »Aber wir … wir sind hier und müssen mit dieser Schande leben, die du uns auferlegt hast! Safa ist eine Außenseiterin. In unserem Dorf, in der Schule, einfach überall. Wir alle sind Außenseiter.«
Idriss hatte gestern noch ganz anders geklungen. Ich wollte Safas Mutter unterbrechen, doch die Wut, die sich in den vergangenen Tagen in ihr aufgestaut hatte, brach nun vollends aus ihr heraus und überschwemmte mich wie eine riesige Welle, wie ein Tsunami aus Angst und Verzweiflung.
»Eines kann ich dir verraten, Waris«, fuhr Fozia aufgeregt fort. »Idriss ist momentan auf deiner Seite, denn mein Mann hofft, durch dich nach Europa zu kommen. Aber eines Tages wird er erkennen, dass er hierhergehört, und dann wird er sich dem Willen seiner Mutter beugen.«
Ich verstand nicht recht. »Wieso seiner Mutter? Du möchtest doch, dass Safa beschnitten wird«, sagte ich verstört.
»Was denkst du, warum Fatouma eine so angesehene Frau in Balbala ist?«, stellte Fozia die zynische Gegenfrage.
»Da seid ihr ja!« Aus der Ferne klang Safas fröhliche Stimme an meine vor Aufregung dröhnenden Ohren. »Ich habe euch schon überall gesucht.« Neugierig sah das Mädchen seine Mutter und mich an.
Fozia warf mir einen letzten bitterbösen Blick zu, nahm Safa an der Hand, wandte sich energisch um und ging mit ihrer Tochter zurück ins Restaurant. Fassungslos blickte ich den beiden nach. Hatte ich ihre Andeutung richtig verstanden? War Fatouma, die Großmutter von Safa,
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