Safa: Die Rettung der kleinen Wüstenblume
Messinghängeschlösser aus der Nähe betrachten zu können, und entdeckte, dass sie alle bemalt waren. Auf jedes einzelne waren entweder Nachrichten, Herzchen, Namen oder Wünsche mit Filzstift geschrieben.
»Was ist das?«, fragte Safa neugierig.
»Ich denke, dass Verliebte, Frischverheiratete, beste Freunde, Geschwister und andere glückliche Menschen hierherkommen, um ihr Glück und ihre Liebe mit so einem Schloss zu besiegeln«, ließ sie die anderen an ihrer Theorie teilhaben.
»Und warum machen die das?«, fragte Safa verwundert.
»Na ja, die Paare glauben vermutlich, dass ihre Liebe dann ganz lange hält, und die Freunde wünschen sich, für immer so gute Freunde zu bleiben. Ihre Beziehung zu einem geliebten Menschen soll so stark und unzerstörbar sein wie diese Schlösser«, antwortete Sophie.
Inab und Idriss liefen unterdessen zu dem Mann hinüber, der am Ende der Brücke einen kleinen Stand aufgebaut hatte. Nach wenigen Minuten kehrten sie mit einem großen und einem etwas kleineren Messingschloss und bunten Filzstiften zurück.
»Hier«, Idriss reichte der Österreicherin das größere von beiden. »Die kann man bei dem Mann kaufen. Auf das hier schreiben wir jetzt unsere Namen drauf.«
Sophie war erstaunt über seine Aufforderung. Sie hätte nicht gedacht, dass er für solche Sentimentalitäten anfällig war. Sie nahm den Filzstift und schrieb »Idriss, Inab, Sophie & Safa – friends forever« auf die glatte, goldene Oberfläche. Das gefiel den dreien.
»Der Mann sagt, man muss einen Schlüssel in den Fluss werfen und den anderen behalten«, erklärte Inab.
Gesagt, getan – Sophie suchte eine kleine freie Stelle auf dem Geländer, montierte das Schloss und warf einen Schlüssel ins Wasser. »Und was machen wir jetzt mit dem kleinen Schloss, Idriss?«, fragte sie.
Wortlos nahm er Sophie einen blauen Filzstift ab und schrieb langsam » 13 . Juli – Idriss & Safa« darauf. Dann nahm er seine Tochter an der Hand und führte sie zu dem funkelnden Geländer, an dem sie ihr kleines Schloss befestigten. Gerührt beobachtete Sophie die beiden.
»Ich werde immer für dich da sein und dich beschützen, meine einzige Tochter«, sagte Idriss mit leiser Stimme. Dann nahm er Safas Hand, legte die Schlüssel auf ihre Handfläche, schloss sie behutsam und küsste die kleine Faust.
»Und du bist für immer mein lieber Papa«, erwiderte Safa ernst.
Im nächsten Moment holte sie weit aus und warf gleich beide Schlüssel in hohem Bogen in die Fluten der Seine, wo sie für immer bleiben würden. In diesem Moment schämte sich Sophie für ihre Vermutung, dass Idriss für die Flecken in Safas Gesicht verantwortlich sei.
Sie schlenderten weiter zur nächsten Brücke, wo sich Safa auf eine Steinmauer setzte. Sofort zückte Sophie ihre Kamera, da ich ihr aufgetragen hatte, möglichst viele Fotos von ihrem Aufenthalt in Paris zu machen – zur Erinnerung für Safa und ihre Familie, vor allem aber für mich. Auch Inab genoss es, fotografiert zu werden, und es gefiel ihr gar nicht, dass jetzt nur Safa vor der Kamera stand. Gekonnt drängte sie sich ins Bild und nahm die ulkigsten Posen ein, während Sophie auf den Auslöser drückte.
Da drehte sich Safa mit Schwung auf der Steinmauer um, so dass ihre Füße in Richtung Seine baumelten. Nur wenige Zentimeter und das kleine Mädchen wäre in die Tiefe gestürzt. Sophie stürzte auf sie zu und zerrte sie von der Mauer. »Safa, das ist viel zu gefährlich«, stieß sie schockiert aus.
Die Kleine verstand ihre Aufregung nicht. »Was soll mir denn schon passieren? Ich will doch nur ins Wasser springen. Waris hat mir in Dschibuti gezeigt, wie man schwimmt.«
Sophie zeigte auf die riesigen Schiffe, die unter der Brücke hindurchglitten. »Hier kann man doch nicht schwimmen«, erklärte sie. »Stell dir vor, du springst und landest genau auf einem von den Schiffen da unten. Außerdem tut ein Sprung ins Wasser aus dieser Höhe höllisch weh, man kann dabei sogar sterben. Das willst du doch nicht?« Sophie sah ihr Gegenüber eindringlich an.
Safa heuchelte zwar Verständnis, richtig Angst einjagen konnte ihr Sophie jedoch nicht.
Die kleine Wüstenblume ist ganz schön mutig, dachte Sophie. Doch ihr Mut konnte auch zur Gefahr werden.
Im Licht der Nachmittagssonne fiel ihr der dunkle Fleck unter Safas Auge auf, zumal er nun angeschwollen war. Als sie genauer hinsah, entdeckte sie auf Safas Hals außerdem eine kleine eitrige Erhöhung, die wie schwere Akne aussah. Es
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