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Titel: Safari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Dean Foster
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Stein, sagte er sich, während er darum kämpfte, durch einen zunehmenden Nebel moralischer Schwäche auf seine Aufgabe konzentriert zu bleiben. Einen Stein und vielleicht ein paar gnädige Schlucke Wasser. Langsam und ängstlich streckte er die rechte Hand aus und langte nach dem nächsten Brocken. Sosehr er sich auch bemühte, das Zittern seiner Finger konnte er nicht verhindern.
    Wie ein reißendes Stahlkabel knallte ein Tentakel vor seinen bittenden Fingern nieder und versperrte ihnen den Weg.
    Walker hätte in Tränen ausbrechen können. Er hätte sich in Hysterie flüchten können. Er hätte sich aufrichten und einen verrückten, zweifellos fruchtlosen Sturmangriff auf das Essen unternehmen können. Doch die Zeit, die er an Bord des Vilenjji-Schiffes verbracht hatte, hatte ihn verändert. Die Zeit und die Gespräche mit seinen Mitgefangenen. Insbesondere mit einem Mitgefangenen. Er wurde weder wahnsinnig, noch verlor er die Kontrolle.
    Stattdessen rollte er sich auf den Rücken, zog die Knie an die Brust, streckte die geöffneten Handflächen nach oben, ließ die Zunge schlaff aus dem Mund baumeln und riss die Augen weit auf; das alles auf eine Art, von der er hoffte, dass sie jedes empfindungsfähige Wesen als trauriges Betteln interpretieren würde.
    Die Reaktion, die das hervorrief, hatte er nicht erwartet.
    »Hör auf damit«, grummelte die Kreatur leise.
    Walker behielt seine Pose der wehrlosen Verletzlichkeit bei. Er war sicher, dass das Wesen gesprochen hatte. Er hatte Bewegungen der spaltsägenartigen Kiefer gesehen und gleichzeitig von seinem implantierten Übersetzer die Worte geliefert bekommen. Nichtsdestotrotz verharrte er in seiner Stellung. Er wusste ja auch gar nicht genau, womit er aufhören sollte.
    »Ich habe gesagt, hör auf damit«, grummelte das Wesen ein zweites Mal.
    Walker zog die Zunge ein und schluckte. »Womit aufhören?«, winselte er so herzzerreißend, wie er es nur zustande bringen konnte.
    »Kriechen. Betteln. Das ist peinlich. Kein intelligentes Wesen sollte sich so verhalten müssen.«
    Es stand außer Frage, dass es diese Kreatur war, die zu ihm sprach. Sie war also gar kein stummer Berg borstenbedeckten extraterrestrischen Protoplasmas, sondern etwas mehr.
    Vorsichtig rollte er sich auf den Bauch und stemmte sich auf Hände und Knie. »Kein intelligentes Wesen sollte ein anderes verhungern lassen.«
    »Warum nicht?«, grunzte das neuerdings gesprächige Monstrum. »Vermeintlich intelligente Wesen sollten auch nicht versuchen, andere auf ihren bloßen Sachwert zu reduzieren, und doch sind wir der beste Beweis dafür, dass es die Praxis ist.«
    »Dann haben du und ich etwas gemeinsam.« Walker erhob sich langsam und bürstete Sand und Pflanzenteile von seinen schmutzigen Kleidern.
    »Wir haben nichts gemein außer unangebrachtem Erkenntnisvermögen.« Die Augenstiele hoben und senkten sich. »Empfindend und verdammt, zwischen den Sternen treibend, verlorenes Träumen.«
    O Gott, dachte Walker. Alien-Haiku. Oder etwas in der Art.
    Ehe er sich’s versah, würde der Koloss vielleicht einen lebhaften Diskurs über florales Gestalten beginnen. War hier ein Punkt, an dem man ansetzen konnte? Und wenn er es versuchte – würde es richtig übersetzt werden oder sein sofortiges Ende zur Folge haben? Schwindelig vor Nahrungsmangel spürte er, dass er nichts zu verlieren hatte.
    »Ah … im selben Boot sitzend, gefangen mit vielen Fremden, Schmerz zu teilen.«
    Beide Augen richteten sich auf ihn, während sich gleichzeitig der ganze gewaltige Körper, der auf seinen Untertentakeln hockte, in seine Richtung drehte. Walker war sich in unangenehmer Weise der Nähe der kollidierenden Kiefer mit den gezackten, ineinander greifenden Zähnen bewusst. Bedeutsamer aber war, dass das Tentakel, das wie ein Fallbeil herabgesaust war, um ihm den Weg zum Essen abzuschneiden, ruckartig weggezogen wurde.
    »Brüder im Gesang, an kleinen Ort gezwungen, boten Einfühlung.«
    »Fragend ob wir beide, dem Ruf zu … o verdammt!«, schloss Walker und konnte den Versuch nicht beenden. Dann lag der Essensstein in seinen gierigen Händen, und unter dem Druck seiner verzweifelten Finger brachen Stücke davon ab. Er drehte sich um, um wegzurennen – nur um dasselbe Tentakel, das ihm zuvor den Zugang zur Nahrung verwehrt hatte, niederfallen und ihm den Fluchtweg versperren zu sehen. Als er sich umwandte, war der riesige Torso tief über ihn gebeugt.
    »Verweile und trage vor, Mitschmieder von Versen; Einsamkeit

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