Safari
vollführten einen Schwenk und starrten den Hund an. »Sie erkennen nur meine Körperlichkeit und mein aufbrausendes Temperament und versuchen gar nicht, auf den empfindsamen Kern einzugehen, der mein wahres Ich ist.«
»Könnte etwas mit deiner Entschlossenheit zu tun haben, ihnen jedes Glied einzeln auszureißen«, legte Walker dar.
»Barbaren. Sie besitzen Technologie, doch sind sie bar jeglicher Kultur, Raffzähne!«
»Und Kidnapper en gros, nicht zu vergessen«, ergänzte George hilfsbereit.
»Ich sieche dahin, der Hoffnung beraubt, lache unter Tränen.«
Walker schürzte die Lippen. »Du kannst dich wirklich sehr gut ausdrücken.«
»Findest du?« Dunkle, seelenvolle Augen, die fast so groß wie der Kopf des Menschen waren, streckten sich zu ihm hin. Walker wich nicht zurück. »Wie willst du das beurteilen? Es ist nicht deine Art zu sprechen.«
»Ja, das ist wahr«, gab Walker bereitwillig zu, »aber ich erkenne wahre Empfindsamkeit, wenn ich sie höre.« George blickte seinen Freund durchdringend an, sagte aber nichts. Der Mensch tat nur das, was der Hund ihn gelehrt hatte. »Ihr habt doch sicher Lieder, Gedichte, die nur für rein ästhetische Zwecke verfasst wurden, die nichts mit dem Austausch nüchterner Informationen zu tun haben?«
»Ah, froh bin ich, dich nicht ausgeweidet, sondern dir Essen und Trinken gestattet zu haben.« Die senkrechten Kiefer öffneten und schlossen sich langsam.
»Mir geht es genauso«, erwiderte Walker freimütig. Eines der Augen war ihm so nah, dass er sein Spiegelbild darin sehen konnte.
»Möchtest du eine Saga meines Volkes hören?«
Zum zweiten Mal an diesem Morgen machte Walker es sich auf dem kissenartigen Bodenbewuchs bequem. »Nichts wäre mir lieber.« Als Rohstoffmakler hatte er schon vor langer Zeit gelernt, mit großer Leichtigkeit zu lügen. Aber er musste zugeben, dass er mehr als nur ein bisschen neugierig war, was Braouk zu erzählen hatte. George seinerseits fing an zu winseln. Entweder bemerkte der Tuuqalianer diese Reaktion nicht, oder er verstand sie falsch.
Walker war auf Eloquenz seitens des schwergewichtigen Aliens gefasst. Worauf er nicht gefasst war, aber vielleicht hätte sein sollen, war die Länge der Ausführungen, in denen sich der Tuuqalianer erging. Den beiden Gefangenen von der Erde, die mit einer Reihe kurzer, poetischer Phrasen rechneten, wurde eine scheinbar endlose Darbietung von Reimen, Metrik und tiefkehligem tremoliertem Gesang über die Einsamkeit zuteil, die ihr neuer Bekannter verspürte. Dass sie sein Gefühl von Isolation und Heimweh teilten, konnte die Langeweile nicht lindern, die sich unausweichlich in ihrem Kopf ausbreitete, dass sie kaum die Augen offen halten konnten. Weder Hund noch Mann wagten jedoch, einzuschlafen, da sie fürchteten, der inspirierte Deklamator, der vor ihnen lärmte, könnte eine solche nonverbale Herabwürdigung seiner Bemühungen unvorteilhaft beurteilen.
Nach einer weiteren halben Stunde ungeminderten Lamentos wurde Walker jedoch klar, dass er etwas unternehmen musste. Wie aber die Rezitation ihrem Ende zuführen, ohne dies Begehr falsch ausgelegt zu bekommen? George befreite ihn aus diesem Dilemma.
Der Hund begann zu heulen. Das war auf einmal ein so vertrautes und dennoch unerwartetes Geräusch, ein Echo von der fernen, atavistischen Erde, dass es Walker die Kehle zusammenschnürte. Er brach nur deshalb nicht in Tränen aus, weil er viel zu besorgt war, wie der Tuuqalianer das aufnehmen würde.
Braouk unterbrach seinen Vortrag und starrte den Hund an. Den Kopf zurückgeworfen, die Augen geschlossen, verloren in den heftigen Schmerz hündischer Verlassenheit, entging es George, dass der Tuuqalianer still geworden war. Walkers Versuch, den Hund aufmerksam zu machen, schlug fehl. Braouk beugte sich langsam vor. Sollte der Gigant sich entschließen, zuzuschlagen, würde Walker ihn nicht daran hindern können.
Nachdem er einen Moment zugehört hatte, schien der große Alien leicht in sich zusammenzusinken. Dann nahm er das Reimen wieder auf, lauter als zuvor, und passte seine Intonation dem Jaulen des kleinen Hundes an, der vor ihm saß. Walker war erleichtert und verblüfft zugleich und konnte nicht anders, als sich zurückzulehnen und zuzuhören – und sich gelegentlich, wenn er sich unbeobachtet wähnte, so gut es ging die Ohren zuzuhalten.
Das unwahrscheinliche Duett dauerte sehr lange und hörte erst auf, als Walker auf dem Weg war, schreiend in die nächste elektrische Barriere zu
Weitere Kostenlose Bücher