Saftschubse - Lies, A: Saftschubse
Servicebereitschaft auf Dauer ungesund. Und ich werde es nicht so weit kommen lassen, dass ein ausgeschiedener Nierenstein in einer Kloschüssel in Bangalore mir das sagt. Eine Gefahr, der ich mir so richtig bewusst bin seit dem Seminar »Krankheit als Zwischenstopp – wenn der Körper aussteigt«.
Noch immer stehe ich zu dem »Baby-Mann« umgedreht da und sehe ihn aufs Äußerste brüskiert und einfach nur fragend an. Eine Frau, offensichtlich seine, schreitet ein.
Ob ich meinen zukünftigen Mann wohl auch jemals so ansehen werde? Hoffentlich nicht. Sie zieht ihn mit einer kurzen Handbewegung von mir weg, so wie man einen Hund beiseitenimmt, der nach dem ersten Schnuppern zur Bestie wird, weil er beschlossen hat, den Pinscher gegenüber doch zu hassen.
Vielleicht ist es auch nur meine offene Aura, die den Mann zu falschen Schlüssen geführt hat? Mir fällt sofort auf, wenn sich jemand auf der anderen Straßenseite einer Kreuzung suchend umblickt und biete meine Hilfe an, sobald die Ampel auf Grün springt. Im öffentlichen Personennahverkehr muss ich den Reflex unterdrücken, mich beim Busfahrer wie beim Crewbusfahrer persönlich zu bedanken und ein wenig Trinkgeld zu geben. Und in der U-Bahn stehe ich immer, weil ich den anderen Gästen nicht die Plätze wegnehmen möchte. Ich fürchte, ich muss dringend lernen, mich da wieder abzugrenzen.
Umgekehrt wird man aber auch gerne eingespannt, wenn man wirklich abschalten will. Erst kürzlich befand ich mich auf dem Weg zu einer Hochzeit und hatte mir ein ermäßigtes, aber immer noch teures Mitarbeiter-Flugticket geholt.
Bereits für die Anreise an den Ort der Trauung, die Abgeschiedenheit Hattingens, war ich standesgemäß aufgerüscht – mit Rock, Schminke, High Heels und apartem Federschmuck auf dem Kopf nahm ich meinen Fensterplatz im Flieger nach Düsseldorf ein. Ich saß keine drei Minuten in mein Buch vertieft da, da kam die Purserette auf mich zu und sprach mich lautstark, mit ernster Stimme und ziemlich unfreundlich an: »Frau Loos?«
Ich lächelte sofort reflexartig und entgegnete aufmerksam: »Ja?«
Sie guckte auf ihre Passagierliste, die mich lediglich als Skyline-Mitarbeiter auswies (genauso gut hätte ich im Marketing sein können oder Pilotin) und vergewisserte sich:
»Sind Sie fliegendes Personal?«
Wieder bejahte ich – fröhlich, wie man es von mir erwartet. Immerhin könnte ich schon nächste Woche mit ihr fliegen.
Sie hingegen verzog keine Miene und stellte trocken fest:
»Ach super, dann hab ich ja dich, wenn ich jemanden extra brauche.«
Ich finde, das geht eindeutig zu weit.
Natürlich ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass man bei einer Evakuierung nicht die Hände in den Schoß legt, sondern hilft, aber selbst da stellt sich doch die Frage, ob die Passagiere auf eine Frau mit Federschmuck hören, die sich sehr wichtig nimmt und durch ein Megafon schreit, wer wann zu rutschen hat.
Aber hier nun, an der Rezeption, kann ich mir ein Stück meiner Würde bewahren.
Ich werfe mich in eine selbstbewusste »Ich bin hier auch nur Hotelgast«-Pose und drehe mich wortlos zurück zu José. Wieder tippt mir der Mann auf die Schulter. Stumpfsinnig. Verständnislos. Bis seine Frau ihn lapidar zischend aufklärt:
»She’s not working here.«
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich hier um eine Ehe handelt vom Typ: »Er sieht geil aus, der Sex ist sensationell, und es stört mich nicht, dass er dumm ist wie Brot, schließlich bin ich leitende Bankangestellte.« Ein verzeihliches Phänomen unserer Zeit. Frauen haben ja heute von alleine alles: Führungspositionen, ausreichend Geld für Kaviar-Peelings und Fastenkuren auf Sylt, schöne Autos und Bulgari-Schmuck. Also sucht man sich was Gutaussehendes fürs Bett dazu aus und diskutiert die politische Lage in Aserbaidschan dann eben mit dem eigenen Vater.
Das weiß ich so genau, weil ich das auch schon so gemacht habe. Nur, dass mich Janek, den ich bei einem Shooting für Thermounterwäsche kennengelernt hatte, dann aber nicht heiraten wollte. Und ich ihn sowieso auch nicht, weil ich es anstrengend finde, dass Models morgens um sechs ihre Sit-ups neben meinem Bett machen und meine ganze Zahnseide verbrauchen. Dennoch hielt es eine Weile, denn wir hatten derart guten Sex, dass ich es eher als »Bewusstseinserweiterung« umschreiben würde.
Es endete nach sieben Wochen in einem sehr hässlichen Streit, weil ich ihn angeblich irgendwo gekratzt hätte bei ebendiesem Vorgang, was eine winzige
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