Sag, dass du eine von ihnen bist
meine Großeltern sein mussten, waren meine Eltern doch ihre Lieblinge unter all unseren dreizehn fofos und Tanten, weshalb ihre Krankheit sie besonders hart getroffen hatte. Sie hatten sie gepflegt, und als wir von daheim fortgingen, hatten sie so viel gefastet, dass sie beinahe schon so mager wie die Kranken gewesen waren. Ich dankte Gott dafür, dass meine Eltern ihre Krankheit überwunden hatten. Ich dankte Gott dafür, dass er uns Pateneltern geschickt hatte, die Medizin für meine Eltern kauften. Bei all dem, was sie bereits für uns getan hatten, war es eigentlich nicht zu viel verlangt, dass wir sie Mama und Papa nannten. Ich war mir auch ziemlich sicher, dass meine richtigen Eltern nichts dagegen hatten, dass wir so gute Menschen mit Mama und Papa anredeten. In jener Nacht vermisste ich meine Eltern sehr und freute mich darauf, nach Hause zu fahren und einige Zeit bei ihnen zu verbringen. Ich begann sogar, meine Pateneltern zu vermissen, die ich doch noch gar nicht kannte, da mir ihre Mildtätigkeit bereits zugu
tekam; sie waren wie ein zweites Elternpaar in einer Welt, in der ich das erste fast durch Krankheit verloren hatte. Ich sehnte mich auch nach den anderen Kindern, denen unsere Pateneltern halfen. So mehrte sich und wuchs meine Familie in jener Nacht, in der ich Fofo schnarchen hörte und Yewas sanftem Atem an meiner Seite lauschte.
Ich flehte Gott an, uns einen scharfen Verstand zu schenken, damit wir gut in der Schule blieben und unsere Pateneltern, Eltern und Fofo nicht enttäuschten. Französisch und Idaatcha hatten wir unser Leben lang gesprochen, weshalb ich Gott dafür dankte, dass er uns geholfen hatte, in den anderthalb Jahren, die wir nun an der Grenze wohnten, so mühelos Englisch und selbst ein bisschen Egun aufzuschnappen. Ich hoffte, wir würden uns dort, wo immer unsere Pateneltern uns auch hinbrachten, ebenfalls von unserer besten Seite zeigen. Dann erinnerte ich mich an das Versprechen, das ich meinen Eltern und Großeltern gegeben hatte, und bekräftigte wie jeden Abend vor Gott aufs Neue, dass ich Fofo stets gehorchen würde. Ich sagte Gott, ich würde alles für Fofo tun, und bat ihn, auf Yewa aufzupassen und dafür zu sorgen, dass sie uns bei unseren Pateneltern nicht in Verlegenheit brachte oder Schwierigkeiten machte, wenn sie uns besuchten.
Der erste Besuch von unseren Pateneltern und den neuen Geschwistern verlief eher verhalten. Als sie kamen, saßen wir drei draußen auf der Terrasse und starrten aufs Meer.
Fofo holte die Laterne und stellte sie neben uns ab. Ihre einsame Flamme flackerte im Wind. Yewa und ich schwatzten miteinander und fragten uns, was jenseits des Wassers liegen mochte. Wir trugen beide grüne T-Shirts und schwarze Shorts. Abends hatten wir geduscht, unsere Gesichter glänzten vor Vaseline, und wir mussten ständig niesen, weil Onkel unsere Kleider mit zu viel Kampfer eingerieben hatte, dem ›Arme-Leute-Parfüm‹, wie er es nannte.
Fofo war nervös. Immer wieder kreuzte er die Beine, mal so und mal so, und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Yewa, wetin sollst du noch mal deine Pateneltern anreden?«, fragte er unvermittelt.
»Papa und Mama«, antwortete sie.
»Gutes Mädchen. Gbòjé poun , alles wird bestens, bestimmt.«
»Ich bin ja ganz entspannt, Fofo«, sagte Yewa.
»Und vergiss nicht, dich fürs Schulgeld zu bedanken, sobald du sie siehst. Selbst Gott mag es, wenn die Menschen dankbar sind.«
»Wir werden es schon nicht vergessen, Fofo«, sagte ich.
»Ich hab Hunger«, warf Yewa ein. »Gibt es heute Abend nichts zu essen?«
»Hunger?« Er wandte sich zu meiner Schwester um und funkelte sie an. »Ich hab doch gesagt, sie bringen was zu essen mit. Ist wie ein Picknick. Nur ein bisschen Geduld, ole . Jetzt guck sich einer deine lange Schnute an. Willst garri trinken? Du und dein Bruder, ihr hört mir einfach nicht zu. Wisst ihr noch, wetin euer Vater an dem Tag geredet hat, an dem ich euch geholt hab? Wisst ihr noch, wetin eure Großeltern geredet haben? Noch ein wahala von euch, und mit euren Pateneltern ist Schluss … Ich bring euch zurück nach Braffe!«
»Tut mir leid, Fofo Kpee«, sagte Yewa.
»Halt die Klappe, du onu ylankan … du hässliches Ding. Ich weiß genau, woher eure Mama solche Bastarde wie euch ins Haus von meinem Bruder geholt hat! Nur noch ein falsches Wort …«
Schweigend blieben wir sitzen, bis es dunkel wurde. Fofo saugte unablässig seine Lippe zwischen die Zähne und wurde von Minute zu Minute
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