Sag, dass du eine von ihnen bist
Schluss auf. Und über das, was Fofo gesagt hatte, dachte ich nicht weiter nach.
»Wenn mein Bruder und seine Frau uns mit ihren andern Kindern besuchen«, fuhr Fofo Kpee fort, »kriegt ihr noch besseres Essen, Halleluuu …!«
»Halleluja!«, riefen die Leute, und er setzte sich.
An diesem Abend tanzten die Besucher zur Musik aus unse
rem gerade erst gebraucht gekauften Sony-Ghettoblaster. Big Guy stand auf und zog die Jacke aus, unter der ein blütenweißes Hemd zum Vorschein kam. Er streifte die Hose bis zur Hüfte hoch, damit seine langen Beine sich ungehindert bewegen konnten, und zeigte uns, wie man makossa tanzt. Er schlenkerte die Glieder, als hätte ihm der Anzug nun endlich die entsprechende Erlaubnis dafür gegeben, wiegte sich in den Hüften und wirbelte im Kreis zur elektrischen Gitarre und zu den lauten Trommeln. Mit seinen geschmeidigen Bewegungen bot er einen prächtigen Anblick. Wir fingen an, ihn zu mögen. Er erinnerte Yewa daran, was sie doch für ein intelligentes Mädchen sei, schnappte sie sich und warf sie immer wieder in die Höhe. Da sammelten sich die übrigen Kinder um ihn und wollten ebenfalls hochgeworfen werden. Er begann zu schwitzen, sein Hemd wurde schmutzig, Staub überzog seine Slipper, aber das war ihm egal. Wir hatten so viel Spaß, dass wir am nächsten Tag Durchfall und leichtes Fieber bekamen und nicht zur Schule mussten.
Eine Woche später kehrte Fofo Kpee früh von der Arbeit heim, setzte sich aufs Bett und raufte sich die Haare. Was er sagen wollte, lag ihm so sehr auf der Seele, dass er seine Arbeitskleider nicht auszog und sich auch nicht duschte. Schließlich beugte er sich vor und sagte: »Ihr geht doch jetzt gern zur Schule mit euern neuen Büchern, ja?«
»Mir gefallen meine Bücher!«, sagte Yewa.
»Und die Lehrer mögen uns jetzt«, warf ich ein, »weil wir unsere Bücher mit unseren Freunden teilen.«
»Gut«, sagte er, schlüpfte ins Bett und legte sich mit dem Rücken an die Wand. Über seinem Kopf hing ein großer, alter Kalender, der Bilder von den zweiunddreißig Mannschaften zeigte, die 1994 in den World Cup Finals mitgespielt hatten. Da die Wand so uneben war, warf das Lampenlicht lichte Stellen und dunkle Schatten.
Fofo zog Yewa zwischen seine Beine und kniff ihr spielerisch in die Wangen. Die Federn quietschten so laut, dass ein Gecko erschrocken unter dem Kalender hervorhuschte. Er lief die Wand hinauf und verharrte in dem breiten Spalt zwischen Wand und Dach, sein Schwanz auf der Fahrradkette, die beides zusammenhielt.
»Das hören eure Pateneltern bestimmt gern, dass euch die Schule gefällt«, sagte Fofo unvermittelt. »Seid ihnen dankbar, okay? E jẹ dọ mi ni d'ope na yé .«
»Pateneltern?«, fragte ich und richtete mich auf.
Er sah mich aufmerksam an und nickte. »O ja, ihr zwei habt Glück, dass ihr Pateneltern habt, wisst ihr das?«
»Aus Braffe?«, fragte Yewa. »Wann sind sie gekommen?«
» Non, pas comme ça «, gluckste Fofo. »Nee, nee, die kennt ihr nicht.«
»Kennt Big Guy sie?«, fragte Yewa. »Ich will wieder mit ihm tanzen. Er kann mit uns nach Braffe kommen und Ezin, Esse und Idossou beibringen, wie man makossa tanzt. Du hast versprochen, dass wir nach Braffe fahren.«
»Wir fahren ja auch … ganz bestimmt. Aber erst will ich euch euern Pateneltern vorstellen. Dieser Mann und diese Frau, die haben uns viel gegeben, Nanfang, Sony, Medizin für eure Eltern. So viel, man kann's gar nicht zählen. Onú lpa lpa lé . Eure Eltern haben sie sehr gern, beaucoup . Und eure Pateneltern wollen euch helfen, der Familie, vor allem Bildung für euch … Ihr seid die Adoptivkinder von ihnen. Comprenez? Wisst ihr, was das heißt?«
»Nein«, antworteten wir.
»Wenn Fremde Kinder wie eigene annehmen … Mais , hört zu, wir müssen den Leuten sagen, dass eure Pateneltern eure richtigen Verwandten sind, okay?«
»Unsere Verwandten?«, fragte ich.
»Du lügst, Fofo«, rief Yewa. »Und wer lügt, kommt in die Hölle.«
»Ach, meine Kleinen, ihr versteht die Bibel ja nicht richtig!«, rief er. »Ich weiß, leicht ist es nicht zu erklären. Deswegen hab ich auch nicht gleich geduscht und na yi changer nú se lé , weil ich erst mit euch reden wollte. Erzählt ihr 'ne gute Lüge, kommt ihr nicht in die Hölle. Nur für schlechte Lügen muss man dahin, mes enfants . Wie euch der Lehrer in der Sonntagsschule gesagt hat, erstes Buch Mose, zwölftes Kapitel, Vers zehn bis sechzehn, da nämlich hat Abraham, der Vater unseres
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