Sag, dass du eine von ihnen bist
vorgereckt, als wäre er ein Hund auf der Flucht. Und da unser Motorrad noch neu war, klang es jedes Mal, wenn wir durch ein Schlagloch bretterten, wie das gedämpfte Scheppern zweier aufeinanderschlagender Beckenteller. Meine Schwester hielt die rechte Wange an Fofos Rücken gedrückt, als lauschte sie auf seinen Herzschlag. Ich beugte mich über Yewa hinweg und verhakte die Hände um Fofos Bauch, damit wir auch dann nicht von der Nanfang fielen, wenn wir durch die tiefsten Schlaglöcher krachten oder über die höchsten Buckel flogen.
»Festhalten!«, rief Fofo, die Stimme vom Wind zerfetzt, und gleich darauf trafen wir auf ein riesiges Schlagloch. Die Maschine flog in die Luft, setzte hart wieder auf und ruckelte kurz, doch hielten wir uns noch eng umschlungen. »Alles okay?«, fragte Fofo.
»Ja«, gab ich zur Antwort, obwohl mir vom rechten Fuß der Flip-Flop abgefallen war.
Ich rückte mich und meine Schwester wieder zurecht. Die nackten Zehen fanden besseren Halt auf der Fußraste. Meine Finger waren schweißnass, also änderte ich den Griff um Fofos Bauch und legte mein Kinn auf Yewas Kopf. Bei dem Gedanken, dass sich unser Abstand zu den funkelnden Scheinwerfern vergrößert hatte, fühlte ich mich ein wenig wohler. Doch
als ich auch den anderen Flip-Flop loswerden wollte, verlor mein Fuß den Halt. Das linke Bein schlenkerte an der Seite, und ich versuchte mit aller Macht, das Gleichgewicht wiederzufinden, was mir aber nicht gelang. Mein Gehampel ließ das Motorrad zur Seite kippen. Zum Ausgleich warf sich Fofo in die entgegengesetzte Richtung und konnte so die Maschine noch einen Moment lang halten.
»Wir stürzen!«, sagte Yewa wie in einem Traum.
Meine Finger verloren ihren Halt, und blökend wie ein Schaf hielt ich mich jetzt an meiner Schwester fest, doch als mein Knie den Boden streifte, stürzte die Maschine krachend zu Boden.
Ich hatte Kopfschmerzen und lag bäuchlings auf der Straße, das Gesicht im Gras. Mein Knie blutete, die Wunde war aber nicht allzu tief. Yewa stand heulend im Gebüsch und kämpfte gegen einen Mann, der ihre Handgelenke umklammerte. Die anderen drei Männer fielen mit Stöcken über Fofo her. Schläge prasselten auf ihn nieder, bis er zu Boden fiel, die Hände schützend über den Kopf, der fast zwischen seinen Beinen steckte. Er wand sich, ließ die Prügel aber bis auf ein gelegentliches Stöhnen klaglos über sich ergehen. Yewa und ich besorgten das Weinen.
Ich war der Letzte, der eingesammelt wurde; ein Mann packte meine Hände und fesselte sie mit groben Griffen. Ich wehrte mich nicht, hoffte nur, dass sie Fofo nicht umbrachten.
»Schreist du noch mal, töten wir diesen magomago -Mann!«, warnte uns einer der Kerle.
»Bitte, bringt ihn nicht um«, schluchzte ich.
»Habt ihr Kinder etwa geglaubt, ihr könnt die Schule schwänzen, ohne jemandem Bescheid zu geben?«, fragte eine vertraute Stimme hinter mir.
Es war Monsieur Abraham, unser Sportlehrer. Ich drehte mich um und schaute ihm direkt ins Gesicht. Im Mondlicht stand er da mit weißen, blitzenden Zähnen und lächelte. Er
trug T-Shirt und Jogginghose, als wollte er uns in Fußball trainieren.
Enttäuschung packte mich. Ich musste daran denken, wie er uns anfangs Glukose gegeben hatte, als wir nachts nicht gut schlafen konnten und in der Schule schnell müde wurden. Wie blöd von mir, mich überlisten zu lassen und auf so einen gut organisierten Schwindel hereinzufallen.
»Bitte, monsieur , bringen Sie ihn nicht um«, flehte ich Monsieur Abraham an, während Yewa weiterhin lauthals jammerte. »Wir laufen nie wieder weg.«
»Wirklich nicht?«, fragte er.
»Wir fahren auch nach Gabun, versprochen.«
»Natürlich tut ihr das.«
»Wir machen in Gabun alles, was Sie wollen, monsieur .«
»Du könntest damit anfangen, dass du dieser Prinzessin sagst, sie soll endlich aufhören, so einen Lärm zu veranstalten.«
»Sie bringen ihn nicht um, Yewa«, erklärte ich und legte ihr meine freie Hand auf den Mund. Sie sah mich gar nicht an, ihr Blick galt allein Fofo. »Er ist nicht tot«, sagte ich. »Er wird schon wieder.«
Während ich meiner Schwester gut zuredete, versuchte Fofo Kpee aufzustehen, fiel aber wieder hin. Man ließ uns nicht zu ihm. Sein Gesicht war blutverschmiert, ein Auge geschwollen. Die Kleider waren zerrissen, die Taschen leer; wie wohltätige Gaben in einem bedeutenden Schrein lagen überall verstreut Cefa- und Naira-Scheine. Ein Mann fummelte mit seinem Handy herum und fluchte, weil er
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