Sag erst, dass du mich liebst
Chicago hatte es für ihn nur Schwarz oder Weiß gegeben, Richtig oder Falsch. Er hätte nicht gezögert, Carl anzuzeigen.
Aber hier in den Bergen war das etwas anderes. Seit er in Dixie Ridge war, hatte Ty gelernt, flexibler zu sein und auch die Grautöne wahrzunehmen.
Carl war kein namenloses Gesicht in einer Menge. Er war ein Freund. Ein Nachbar. Ein liebevoller Ehemann und Vater. Ein Mann, der die Chance verdiente, seine Situation zu verändern.
Ty hatte keine Ahnung, warum die Meinung einer Tochter mehr zählte als die eines Sohnes, doch er würde Carls Logik nicht in Frage stellen. Die Tatsache, dass Carl vorhatte, sich aus der Illegalität zu verabschieden, war das Entscheidende.
„Als Arzt bin ich eigentlich verpflichtet, Schusswunden zu melden”, gab Ty zu. „Aber ich denke, ich kann darüber hinweggehen, wenn Sie versprechen, keinen Whiskey mehr zu brennen.”
Carl strahlte. „Sie haben mein Wort. Ich werde keinen Tropfen mehr herstellen.” Er blickte auf das Taschentuch, das um Tys Arm geschlungen war und sich bereits rot färbte. Seine Miene verdunkelte sich wieder. „Verdammt! Lexi wird mir ordentlich was erzählen, wenn sie hört, dass ich Sie angeschossen habe.”
„Es war nicht Ihr Fehler”, sagte Ty und zuckte mit den Achseln.
Jeff und Carl sahen ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
Ty grinste. „Ich habe keine Ahnung, wer hier geschossen hat und warum.”
Jeff lachte, als er Ty endlich verstand. „Ich auch nicht.”
Carl stand auf und meinte mit verdächtig heiserer Stimme:
„Ich schulde euch beiden was. Ihr werdet es nicht bereuen.”
Ty schüttelte hastig den Kopf. „Keine weiteren Schweine, Carl. Lassen Sie nur die Brennerei verschwinden, und wir sind quitt.”
„Danke, Doc”, meinte Carl und schüttelte Ty die Hand. „Das werde ich Ihnen nie vergessen.”
„Ich bringe Ty hinunter zur Klinik, damit Martha sich um ihn kümmern kann”, sagte Jeff und half Ty auf. „Carl, du füllst deinen Schnaps ab und zerstörst dann den Destillierkessel.”
„Das mache ich”, sagte Carl und verschwand im Wald.
„Wir halten kurz bei euch und nehmen Lexi mit nach Dixie Ridge”, sagte Jeff und sammelte die Angelsachen wieder zusammen.
Ty schüttelte den Kopf. „Nein. Sie ist bestimmt mit dem Baby beschäftigt. Außerdem ist das keine große Sache hier.”
Jeff hielt inne und bedachte ihn mit einem wissenden Grinsen. „Du kennst dich mit Frauen nicht besonders gut aus, was?”
„Ich weiß genug”, erwiderte Ty.
„Weißt du nicht”, entgegnete Jeff. „Frauen machen aus allem ein Drama.”
„Lexi nicht. Sie ist vernünftig, und ich bin sicher, dass sie das versteht.”
Jeffs Lachen hallte durch den Wald. „Ich hoffe, dass du daran denkst, wenn sie dir die Leviten liest.”
Lexi setzte sich auf und sah ihre Schwägerin überrascht an.
„Mary Ann Simmons und Jake Sanders wollen tatsächlich heiraten?”
„Das hat mir jedenfalls Miss Eunice erzählt, als ich bei ihr ein paar Umstandsmoden gekauft habe.” Freddies Augen blitzten fröhlich auf, als sie sich neben Lexi setzte. „Und du wirst nie erraten, wo sie heiraten wollen.”
„Wo?”
„Erinnerst du dich daran, wie Mary Ann immer versucht hat, dir alles nachzumachen, als wir noch in der Schule waren?”
fragte Freddie.
„Erzähl mir nicht …”
Lachend nickte Freddie. „Sie hat Miss Eunice gefragt, ob sie auch in ihrem Laden heiraten können, genau wie du und Ty.”
„Ach du meine Güte!” Lexi schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Ich dachte immer, Mary Ann würde Jake noch hinterherrennen, wenn beide schon zu alt wären, um noch zu laufen.”
Freddie grinste. „Nun, das hätte auch passieren können, wenn der Mond nicht richtig gestanden hätte.”
Lexi starrte sie an. „Du meinst, sie ist schwanger?”
„Ja. Und Jake ist stolz wie ein Pfau. Ich war noch kurz im Blue Bird Cafe, nachdem ich bei Miss Eunice war, und da saß er und grinste wie ein Honigkuchenpferd.”
„Ty erwähnte, dass er in letzter Zeit mehrere Schwangerschaften diagnostiziert hätte”, meinte Lexi nachdenklich. „Ich frage mich, wer noch schwanger ist.”
Freddie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Aber es geht das Gerücht um, dass Granny Applegate nicht länger als Hebamme arbeiten will.”
„Oh, Freddie”, sagte Lexi mitfühlend. „Was willst du dann tun?”
„Jeff will mit Ty darüber reden, ob er Hausgeburten durchführen kann.” Freddie lächelte. „Er hat mir gesagt, er
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