Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
Vom Netzwerk:
wir. Deswegen bitten wir Sie um Ihre Mithilfe. Wer immer diese Tat begangen hat, hat meine Familie zerrissen. Wenn Sie also irgendetwas wissen, wenn Sie einen Verdacht gegen jemanden hegen, wenn Sie etwas Verdächtiges gesehen oder gehört haben, bitte greifen Sie zum Telefon.«
    Blitzlichter flackern und leuchten jeden Tick und jedes Zucken aus, Schmerz wird in Millisekunden gemessen. Sarah nimmt das Mikrofon. Sie hat etwas Kaltes und Sprödes wie kristallisierendes Eis. Es ist die Suche, die sie stützt, sie ist die Sehne, die sie zusammenhält. Alles andere könnte bröckeln, aber nicht ihr Wunsch, Piper zu finden. Sie wird keine Ruhe geben. Sie wird nicht schlafen. Sie muss die Wahrheit wissen.
    Ich habe dieses Gefühl der Unbedingtheit selbst erlebt. Als Gideon Tyler Charlie entführt hatte, sie von ihrem Fahrrad gerissen, ihren Kopf mit Klebeband umwickelt und sie mit nur einem Strohhalm zum Atmen an ein Waschbecken gefesselt hatte. Ich weiß noch, wie meine Innereien sich verflüssigten und Panik meine weichen Organe aushöhlte, als all das passierte. Doch eines wusste ich damals sicher. Ich würde nicht aufhören zu suchen, bis ich sie gefunden hatte.
    Sarah starrt direkt in die Kameras. »Wenn Sie die Person sind, die Piper festhält, und dies hören oder sehen: Es ist Zeit, sie gehen zu lassen. Lassen Sie sie nach Hause kommen.«
    Wieder werden Fragen gerufen.
    »Machen Sie die Polizei verantwortlich?«
    »Erwägen Sie juristische Maßnahmen?«
    »Haben Sie mit Natasha McBains Eltern gesprochen?«
    »Was macht Sie so sicher, dass Piper noch lebt?«
    Die Antworten werden kürzer. Ja. Nein. Ich weiß nicht. Die Pressekonferenz wird beendet. Polizeibeamte führen die Familie durch die Seitentür. Fast hätten sie Phoebe vergessen. Sie senkt den Kopf und läuft ihren Eltern nach, um sie einzuholen.
    Vor der Hintertür des Polizeireviers bleiben sie stehen und warten auf ihren Wagen. Phoebe blickt auf und sieht mich.
    Sie lächelt. »Werden Sie Piper finden?«
    »Ich werde es versuchen.«
    »Glauben Sie, dass sie mich immer noch mag?«
    »Warum sollte sie dich nicht mögen?«
    »Mum sagt, dass sie immer noch bei uns ist. Deswegen hängen wir immer ihren Weihnachtsstrumpf auf, decken ihren Platz am Tisch, und an ihrem Geburtstag gibt es Kuchen, aber es macht mir Angst. Irgendwie ist sie nämlich wie ein Gespenst. Ihr Stuhl ist leer und ihr Bett auch, aber sie ist immer noch da.«
    »Menschen reagieren unterschiedlich auf einen Verlust.«
    Phoebe blickt nickend zu ihren Eltern.
    »Ist irgendwas?«, frage ich.
    Sie zuckt die Schultern. »Sie wirken bloß irgendwie anders.«
    »Inwiefern?«
    »Sie werden anders, wenn sie über Piper reden.«
    »Sie machen sich nur Sorgen um sie.«
    Phoebe bedeckt ihr Gesicht mit beiden Händen und reibt sich mit den Fingern über die Stirn.
    »Also sollte ich aufhören, mir Sorgen zu machen.«
    »Ja, hör auf, dir Sorgen zu machen.«
    Sie bemerkt einen Fleck am Ärmel ihres Kleids und versucht, ihn mit dem Daumen abzurubbeln.
    »Ich höre sie abends die Treppe hochkommen«, sagt sie. »Sie putzen sich die Zähne, machen das Licht aus, aber sie reden nicht miteinander.«
    »Was möchtest du, Phoebe.«
    Sie senkt die Stimme zu einem Flüstern. »Ich will meine Eltern zurückhaben.«

Mein Zahnfleisch blutet.
    Mum hat immer gesagt, ich würde Skorbut kriegen, wenn ich kein Obst esse. Jetzt esse ich gar nichts mehr – seit gestern. Ich habe beschlossen, in den Hungerstreik zu treten, bis er mich Tash sehen lässt.
    Ich werde mich nicht waschen. Ich werde nicht die Leiter hochklettern. Ich werde mich nicht mehr von ihm anfassen lassen.
    Er kann mich schlagen. Er kann mich abspritzen. Er kann das Licht abdrehen. Er kann mir die Decken abnehmen. Ich würde lieber verhungern oder erfrieren, statt ohne Tash weiterzuleben.
    Das Einzige, worin ich je gut war, ist Laufen. Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich einen Blick auf meine Zukunft werfen könnte, wenn ich nur schnell genug lief. Dass ich um eine Ecke oder über eine Hügelkuppe kommen und mich in der Ferne verschwinden sehen könnte. Das kann ich nicht, wenn ich hier unten festsitze. Ich kann nicht mehr in die Zukunft gucken. Ich kann mir keine mehr vorstellen.
    Ich liege auf meiner Pritsche und erinnere mich an glückliche Zeiten wie den Tag, als wir Tashs Onkel besucht haben und mit seinem alten Kombi über die Felder fahren, durch Schlaglöcher rumpeln und Kuhfladen platt drücken durften. Wir hatten die Fenster offen und die

Weitere Kostenlose Bücher