Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
Vom Netzwerk:
Gutartig. Doch er hat auf Teile meines Innenohres gedrückt. Bis einundzwanzig war ich auf dem Ohr taub. Die Leute dachten, ich wäre langsam, dumm, wissen Sie.«
    »Deswegen drehen Sie den Kopf zur Seite.«
    »Verzeihung?«
    »Es ist mir aufgefallen, als wir uns kennengelernt haben. Wenn Sie zuhören, legen Sie den Kopf ein wenig zur Seite.«
    »Macht der Gewohnheit.« Er lacht und steckt das Foto wieder ein. »Nachdem ich nicht zur Armee konnte, habe ich als Krankenpfleger gearbeitet und bin dann Sicherheitsbeamter bei Gericht geworden. Da habe ich Polizisten gesehen, die bei Strafprozessen ausgesagt haben, und gedacht: Ja, das könnte ich auch machen. Vermutlich habe ich die Herausforderung gesucht … wollte etwas Sinnvolles mit meinem Leben anstellen. Klingt das wie ein Klischee?«
    Ich schüttele den Kopf.
    Phillip Martinez’ Wagen parkt vor dem Haus, doch niemand reagiert auf unser Klingeln. Die Vorhänge sind zugezogen, das Licht ist aus. Ich will gerade aufgeben, als ich ein leises Tuten aus der Garage höre. Ich klopfe an die große Doppeltür. Die rechte Tür wird aufgeklinkt und öffnet sich ein paar Zentimeter.
    Es dauert einen Moment, bis Mr Martinez mich erkennt.
    Er entschuldigt sich. »Haben Sie geklopft? Tut mir sehr leid. Hier vergesse ich immer alles um mich herum.« Hinter ihm klingelt eine Glocke. Er öffnet die Tür ein Stück weiter. »Mein Hobby«, erklärt er. »Es ist ziemlich peinlich … ein erwachsener Mann, der mit Eisenbahnen spielt.«
    Die gesamte Garage wird von einer großen Modelleisenbahnanlage eingenommen, Gleise winden sich auf verschiedenen Ebenen. Es gibt Berge, Flüsse, Straßen, Unterführungen, Tunnel, Bahnhöfe, Reklametafeln, Signale und einen Fahrzeugbestand aus Lokomotiven und Waggons. Die Aufmerksamkeit fürs Detail ist erstaunlich bis hin zu den winzigen Plastikfiguren von Menschen und Tieren, die lebensecht, aber unbeweglich eine neu erschaffene Welt bevölkern.
    Er hat ganze Städte modelliert mit Fabriken, Lagerhäusern, Bahnbetriebshöfen, Geschäften, Postfilialen, Restaurants und Kinos. Fußgänger überqueren Zebrastreifen, Autos warten vor roten Ampeln, Rathausuhren sind bereit, zur vollen Stunde zu schlagen.
    An einer Wand ist seine Werkbank mit Holzresten und Balsaholzplatten, Elektrozubehör, Drähten und körbeweise Stahlgleisen. Winzige Farbtöpfchen sind nach Farbe geordnet. Eine Lupe mit hellem Licht schwebt an einem schwenkbaren Arm über der Arbeitsfläche.
    Der Detective Constable ist mir in die Garage gefolgt und bewundert das handwerkliche Geschick.
    Sogar die Fehlentwürfe im Mülleimer sehen perfekt aus, doch wegen irgendeines kleinen Defekts oder Makels sind sie auf dem Schrotthaufen gelandet.
    Mr Martinez stellt eine Figur wieder auf, die von einem Bahnsteig gefallen ist, einen Stationsvorsteher in Uniform, der eine Fahne in der Hand hält.
    »Heute sind nur drei Gleise in Betrieb«, erklärt er. »Normalerweise sind es fünf. Wollen Sie es sehen?«
    »Bitte.«
    Er führt mich zu einer Bedienungskonsole und legt mehrere Schalter um. Weitere Züge setzen sich in Bewegung. Schranken öffnen und schließen sich. Züge halten an Bahnübergängen. Pfeifen und Glocken ertönen. Durch Klang und Bewegung scheint das Modell zum Leben zu erwachen, und ich kann mir beinahe vorstellen, wie sich die Figuren bewegen.
    »Wie lange haben Sie daran gebaut?«
    »Ein paar Jahre.«
    »Ist es fertig?«
    »Ich überlege mir ständig irgendwas Neues und baue Kleinigkeiten um.«
    »Ein work in progress ?«
    »Eine Sisyphusaufgabe.«
    Grievous hat einen Speisewagen in die Hand genommen. »Hey, da sitzen ja kleine Leute drin. Man kann das Essen auf ihren Tellern sehen.«
    »Bitte nichts anfassen«, sagt Mr Martinez. »Einige Stücke sind sehr empfindlich.«
    Der Detective Constable stellt den Waggon wieder ab und wischt sich einen Ölfleck von den Fingerspitzen.
    An der Wand der Garage bemerke ich ein Foto von Emily. Das Bild wurde in der Mitte gefaltet, um die zweite Person auf der Aufnahme zu verdecken.
    »Ich wollte eigentlich Emily sprechen.«
    »Sie arbeitet heute. Sie hat einen Job in Abingdon.«
    »Darf ich Sie etwas fragen? Warum wollte Emily weglaufen?«
    Mr Martinez reagiert nicht, sondern bedient seine Schalter. Ein weiterer Zug setzt sich in Bewegung. »Es war während der Scheidung. Das waren schwierige Zeiten.«
    »Emilys Mutter lebt in London.«
    »Ja.«
    »Sie üben das Sorgerecht nicht gemeinsam aus?«
    Mr Martinez hält inne und presst beide Daumen

Weitere Kostenlose Bücher