Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
sich um, kaut auf der Unterlippe. »Vielleicht kann ich meine Pause jetzt nehmen.«
Wir gehen in ein Café auf der anderen Straßenseite. Sie bestellt einen heißen Kakao mit fettarmer Milch, überlegt hin und her, welchen Muffin sie nehmen soll, und lässt ihre Bestellung wie einen Akt der Rebellion erscheinen. Ich bezweifle, dass ihr Vater einen extragroßen Blaubeermuffin gutheißen würde.
Sie trägt einen schwarzen Rock und eine weiße Bluse mit einem Namensschild auf der Brusttasche. Sie setzt sich und beugt sich über ihren Kakao, als wäre es ihr peinlich, mit mir gesehen zu werden.
»Ich muss mit dir noch mal über den Abend reden.«
»Welchen Abend?«
»Du warst mit Piper und Natasha auf der Kirmes. Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
»Gegenüber von dem Autoskooter. Da gab es so ein Basketballwurfspiel. Tash versuchte, einen Panda zu gewinnen. Ich weiß noch, dass sie mit dem Typen an dem Stand gestritten und gesagt hat, das Spiel wäre gezinkt, die Bälle wären besonders elastisch, würden nicht durch den Korbring passen und immer wieder vom Rand abprallen.«
»Um wie viel Uhr war das?«
»Kurz nach neun.«
»Mit wem waren die Mädchen zusammen?«
»Eigentlich mit niemandem.«
»Hat irgendjemand in der Nähe herumgelungert?«
»Sie haben mit ein paar Jungs geredet.«
»Mit wem?«
»Die Namen weiß ich nicht. Haydens Freunde.«
»War Hayden auch da?«
»Nein.«
»Und wer sonst noch?«
»Die ganze Stadt – Jugendliche und Erwachsene. Für Bingham war es ein großes Ereignis.«
Ich versuche, ihr Namen zu entlocken und zu rekonstruieren, wo die Mädchen im Laufe des Abends überall gewesen sind. Emily spricht, die Augen aufgerissen, und nickt hin und wieder.
»War da irgendjemand, bei dem du ein unangenehmes Gefühl hattest?«, frage ich. »Jemand, der seltsam aussah oder sonst irgendwie aus der Menge hervorgestochen ist?«
»Ich weiß nicht.«
»Was ist mit Tashs Onkel?«
»Er hat eine Tombola geleitet. Er war ziemlich witzig – jedenfalls ein paar von den Sachen, die er gesagt hat, um die Leute dazu zu bringen, Lose zu kaufen.«
»Wen hast du noch gesehen?«
»Ein paar Mädchen aus der Schule … den Pfarrer und seine Frau … Callum Loach war mit seiner Familie da. Er hat den Leuten leidgetan. Es war schließlich nicht so, als hätte er in irgendeinem Karussell mitfahren können.«
»Hat er mit Tash oder Piper gesprochen?«
»Ich glaube nicht. Ich habe gehört, wie sein Vater etwas über Tash gesagt hat.«
»Was denn?«
Sie pickt eine Blaubeere aus ihrem Muffin. »Es war ziemlich gemein. Er hat sie eine Schwanzfopperin und ein Flittchen genannt. Jeder weiß, dass er sie hasst.«
»Als Piper an dem Abend zu dir nach Hause gekommen ist, wo war Tash da?«
»Ich weiß es nicht.«
»Hat Piper irgendwas gesagt?«
»Ich wusste, dass irgendwas nicht stimmte. Ihre Kleidung war schmutzig. Sie hatte Schlamm an den Knien ihrer Jeans und an den Ellbogen. Ich dachte, sie wäre gestürzt. Sie hat auf meinem Bett gesessen und das Laken schmutzig gemacht.«
»War sie verletzt?«
»Nein.«
»Hatte sie geweint?«
»Piper weint nie.« Emily streicht sich das Haar hinter die Ohren.
»Du hast die Kirmes um neun Uhr verlassen. Warum?«
»Mum war ins Krankenhaus gekommen.«
»Wer hat dich angerufen?«
»Mein Dad.«
»Du hast gesagt, deine Mutter lebt jetzt in London?«
»Ja.«
»Wie oft siehst du sie?«
»Wann immer Dad mich lässt.«
»Und wie oft würdest du sie gerne sehen?«
Eine verletzte Hilflosigkeit huscht über ihre Miene. Auf ihrem Teller sind nur Krümel übrig. »Ich muss jetzt gehen. Ich habe nur eine Viertelstunde.«
»Eine letzte Sache«, sage ich. »Gab es einen besonderen Ort, wo ihr Mädchen euch immer getroffen habt?«
»Sie meinen wie ein Clubhaus?«
»Ein Lieblingsversteck.«
»Das hört sich an, als wären wir acht und würden noch geheime Passwörter benutzen.«
Ich lache. »Es ist bloß so, dass Piper und Tash praktisch nichts mitgenommen haben. Keine Kleidung fehlte. Ich dachte, sie hätten vielleicht irgendwo Taschen versteckt. Du hast doch gesagt, dass ihr die Sache geplant habt.«
»Haben wir auch.« Sie blickt auf die Straße. »In dem Sommer haben wir oft im Freizeitzentrum rumgehangen. Im Schwimmbad. Wir haben die Spinde benutzt. Tash hatte dort Sachen versteckt.«
Emily schiebt ihren Becher weg. Sie hat schon zu viel gesagt. »Ich muss jetzt los.«
Ohne zu warten, schnappt sie ihren Mantel. Ich beobachte, wie sie in beide Richtungen
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