Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
bin Hellseher.«
»Du hast gesehen, wie sie ihn abgegeben hat.«
»Das auch.«
Ich öffne den Umschlag, ziehe die Karte heraus und lese die kurze Botschaft: Ich würde dich gerne wiedersehen. Ruf mich mal an … wenn du willst .
Sie hat mir ihre Handynummer gegeben. Ich stecke die Karte in die Tasche und zerknülle den Umschlag. Während ich weiter packe, erzähle ich Ruiz von den Verhaftungen und Verhören sowie davon, dass Dr. Leece Tritium in Natashas Urin gefunden hat.
»Du vermutest also, dass sie irgendwo in der Nähe dieses Forschungszentrums festgehalten wurde.«
»Es ist denkbar.«
»Und einer der Typen, die sie angegriffen haben, ist wahrscheinlich der Entführer?«
»Höchstwahrscheinlich.«
»Das klingt nicht so, als wärst du davon überzeugt.«
»Bin ich auch nicht.«
»Du glaubst, dass das psychologische Profil auf keinen von ihnen passt. Vielleicht hast du dich geirrt.«
»Vielleicht.«
Ich sehe auf die Uhr. Es ist kurz nach drei. Vier Männer werden mittlerweile Kaution hinterlegt haben. Sie werden über Weihnachten zu Hause sein. Drury wird die Observationsteams nicht die Feiertage durcharbeiten lassen. Wenn einer dieser Männer der Entführer ist, hat er Zeit, Piper verschwinden zu lassen und die Beweise zu vernichten.
Ruiz füllt sich im Bad ein Glas Wasser, an dem er nippt, während er genau dasselbe denkt.
»Capable Jones hat sich zurückgemeldet«, sagt er. »Bist du immer noch an Phillip Martinez interessiert?«
»Das kann warten.«
Am Empfang gebe ich der Frau meine Kreditkarte. Sie hofft, dass ich einen angenehmen Aufenthalt hatte. Der Drucker wärmt sich auf und spuckt meine detaillierte Rechnung aus. Ich blicke auf die Summe und hoffe, dass der Chief Constable ein Mann ist, der zu seinem Wort steht.
Ruiz breitet die Arme aus. »Ich schätze, das wär’s dann, Amigo.«
Wir umarmen uns, ein Gefühl, als würde man von einem Bär erdrückt.
Über Ruiz’ Schulter sehe ich Dale Hadley durch die Drehtür stolpern, als hätte ein Automat ihn ausgespuckt. Er trägt eine weite Hose und ein formloses Hemd und wirkt verwirrt und völlig fertig.
Unsere Blicke treffen sich. »Wir müssen reden.«
»Ich wollte gerade aufbrechen.«
Er packt meinen Arm, zieht mich mit sich und hält Ausschau nach einem ruhigen Ort. Er öffnet verschiedene Türen und findet schließlich einen leeren Salon.
»Ich weiß es«, sagt er und ballt die Fäuste.
»Verzeihung?«
»Ich weiß, was sie getan hat.«
»Piper?«
»Nein! Sarah! Ich weiß, dass sie mit Victor McBain geschlafen hat. Sie hat es mir gestanden. Sie hat gesagt, Sie hätten es gewusst. Woher?«
»Ich habe es vermutet.«
Er kann mir nicht in die Augen sehen und bringt die Worte nur mit Mühe heraus. Er ist ohnehin kein großer Mann, doch er wirkt geschrumpft, verletzt. Wie ein altersschwacher Löwe oder Tiger in einem Zoo, der zu lange in Gefangenschaft gelebt hat.
»Mein Vater hat mich vor Sarah gewarnt. Er meinte, wenn man eine schöne Frau heiratet, muss man mit der Möglichkeit leben, dass andere Männer versuchen, sie einem abzunehmen. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau. Du sollst sie nicht ficken.«
Er hat auf einem Chesterfield-Sofa Platz genommen.
»Ich habe ihr alles gegeben. Ich habe ihr das große Haus gekauft, ein schickes Auto. Schmuck. Kleider. Ich habe sie nie betrogen. Nicht mal in Gedanken.«
»Sie sollten nach Hause gehen, Mr Hadley.«
Er hört offenbar gar nicht zu. »Bevor Piper verschwunden ist, war es okay, aber danach ist alles anders geworden. Der Verlust von Piper hat Sarah emotional verkrüppelt. Sie hat sich verändert. Wir berühren uns kaum noch. Es ist Monate her, seit …«
Ich muss das nicht wissen. Ich will das nicht wissen.
»Ich habe ihr Zeit gegeben. Ich habe ihr ihre Freiheit gegeben.«
»Sie haben das Richtige getan.«
»Wirklich? Glauben Sie?«
»Ja.«
»Und warum hat sie dann mit Vic McBain geschlafen? Er ist ein ungebildeter, ungehobelter, unflätiger …«
Weil er nicht Sie ist, will ich sagen, lasse es jedoch. Wenn Sarah Hadley Vic McBain ansieht, muss sie nicht den Schmerz eines anderen aufsaugen. Sie kann jemandem in die Augen sehen und etwas anderes spüren als Leid und Verlust.
All das sage ich nicht, weil sein Handy klingelt. Er erkennt die Nummer nicht und will den Anruf unterdrücken, überlegt es sich dann jedoch anders.
»Hallo?«
…
»Wer ist da?«
…
»Tut mir leid, ich kann Sie nicht verstehen … können Sie das wiederholen?«
…
»Piper? O
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