Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Zwischen seinen Unterarmen stehen ein Pint-Glas und ein Whisky-Glas auf Bierdeckeln. Er greift nach dem Glas mit dem Whisky und kippt ihn herunter. Wir ziehen uns die Barhocker links und rechts von ihm heran. Isaac wendet langsam den Kopf, seine Augen sind vom Alkohol getrübt.
»Mir ist nicht nach reden«, lallt er.
»Ihr Bruder hat uns gesagt, dass Sie hier sind«, sagt Ruiz.
»Er hat mich angerufen und gesagt, dass Sie kommen.«
»Unser herzliches Beileid zum Tod Ihrer Tochter«, sage ich und stelle uns vor. Er ignoriert meine ausgestreckte Hand, und ich ziehe sie zurück.
Isaac blinzelt langsam. Ein Hauch des Aschegestanks in seinem Haar dringt in meine Nase. Ich sehe einen Mann, der sich mit verschiedenen Szenarien selbst quält. Was, wenn er nicht ins Gefängnis gekommen wäre? Was, wenn er ein besserer Vater gewesen wäre? Würde seine Tochter dann noch leben? Hätte er sie schützen können?
Diese Gedanken verfolgen ihn seit drei Jahren – in seinen Träumen und jedes Mal wenn er um eine Ecke biegt und jemanden erblickt, der Natasha ähnlich sieht.
»Ich durfte sie sehen«, flüstert er. »Diese Leiche sah nicht aus wie Tash, wissen Sie. Ich meine, irgendwie schon, aber auch nicht. Sie war wunderschön, wissen Sie.«
Er kippt sein halbes Bier herunter und schluckt geräuschvoll.
»Sie haben gesagt, man hätte sie gefangen gehalten.«
»Ja.«
»Jemand hat sie am Leben gehalten.«
»Ja.«
»Und … und ihr Sachen angetan?«
»Ja.«
Sein Gesicht zerknittert vor Schmerz. Ich weiß, dass er innerlich schreit.
»Ich brauche eine Zigarette.« Er steht auf und nimmt sein Bier mit durch eine Hintertür zu einem Innenhof mit einer Handvoll Holztische und -bänke. Er zündet sich eine Zigarette an. Weißer Rauch kräuselt sich um sein Handgelenk.
»Eine Menge Leute haben mir die Schuld gegeben«, sagt er. »Sogar die Polizei. Deswegen wollten sie, dass wir diese Pressekonferenz machen, als die Mädchen verschwunden sind. Sie haben mich beobachtet, meine Worte und meine Körpersprache analysiert.«
»Das ist eine ziemlich übliche Praxis«, sagt Ruiz. »Als Erstes nimmt man die Familie unter die Lupe.«
»Ja, jedenfalls wurde ich plötzlich von allen schief angeguckt. Die haben durchsickern lassen, dass ich gesessen habe, wissen Sie. Kumpel, mit denen ich getrunken habe, wollten plötzlich nicht mehr neben mir am Tresen stehen. Der Wirt in meiner Stammkneipe hat mir erklärt, ich solle woanders trinken gehen. Deshalb bin ich in diesem Drecksloch gelandet.«
Die Barkeeperin ist nach draußen gekommen, um eine Zigarette zu rauchen. »Das habe ich gehört.«
»Verpiss dich.«
Ich sehe das Blitzen in Isaacs Augen und bekomme eine Ahnung von der anderen Seite seines Wesens – von der Wildheit, die ihn ins Gefängnis gebracht hat; die hatte Tash von ihm geerbt.
»Ich hab es mir gleich am Anfang mit ihnen verscherzt – mit den Bullen, meine ich. Als Natasha und Piper verschwunden sind, wollten wir unsere eigene Suche organisieren. Wir hatten Hunderte von Freiwilligen. Freunde. Nachbarn. Fremde. Vic hat das alles angeleiert. Wir standen auf Abruf bereit, doch die Polizei hat immer wieder gesagt, wir sollten noch warten. Dann habe ich mitgehört, wie dieser Inspektor gesagt hat, er wolle nicht, dass Beweismittel vernichtet würden – als ob er dachte, die Mädchen wären schon tot.
Ich habe mit ihm gestritten. ›Verdammt noch mal, es ist meine Tochter. Wir müssen sie finden. Das ist doch keine höhere Wissenschaft.‹ Der Typ hat gesagt, ich solle verduften und nicht so schreien. Das habe ich nicht getan. Er drohte, mich zu verhaften. Das war alles Schwachsinn.«
Wir lassen Issac reden, damit er seine Wut ablassen kann.
»Die Bullen glauben immer noch, ich war’s, wissen Sie. Sie sind hierhergekommen und haben mich gefragt, wo ich während des Schneesturms gewesen wäre. Sie haben mich unter Druck gesetzt, versucht, mich durcheinanderzubringen, weil sie gehofft haben, ich würde gestehen. Als ob die mich einschüchtern könnten. Ich bin schon von Knackis gegen Gefängnismauern geknallt worden, die einen schneller abstechen als angucken. Die Polizei macht mir keine Angst.«
»Warum waren Sie im Gefängnis?«, fragt Ruiz.
»Da geht’s wieder los.«
»Ich frag ja bloß.«
»Bewaffneter Raubüberfall. Ich bin zu fünf Jahren verknackt worden und hab drei abgesessen. Da mach ich kein Geheimnis draus. Ist eh zwecklos. In so einem Kaff weiß es sowieso jeder. Aber sagen Sie mir eins, Mr Ruiz. Wie
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