Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
gleichzeitig taub und brennt.
Ruiz zieht mich hoch. Er hält Kroger gepackt, Gould liegt zusammengerollt auf dem Bürgersteig und schützt seinen Kopf.
»Einhunderttausend Spermien, und ihr beiden wart als Erste da. Da fängt man doch an, an Darwins Theorie zu zweifeln, oder? Überleben der Tüchtigsten. Natürliche Auslese.« Dann wendet er sich an die Mädchen. »Vielleicht solltet ihr zusehen, dass ihr weiterkommt. Und passt schön auf, wo ihr langgeht.«
Sie verziehen sich eilig, ihre kurzen Röcke wippen auf ihren Schenkeln.
»Das ist Körperverletzung«, jammert Kroger.
»Ich hab nicht als Erster zugeschlagen.«
Gould liegt noch immer auf dem Boden und stöhnt leise, seine Zähne sehen aus wie eine Reihe schmutziger Kiesel.
»Wir können das auf zwei Arten regeln, Jungs«, sagt Ruiz. »Wir können die Polizei rufen, Aussagen aufnehmen, Anzeige erstatten, uns vor Gericht sehen … oder ihr könnt euch nach Hause trollen.«
Kroger und Gould sehen sich an. Ruiz imitiert einen summenden Wecker. »Die Zeit ist um.«
Er geht weg und öffnet die Wagentür.
»Und lasst eure Gedanken bloß nicht zu weit schweifen, Jungs. Sie sind eh viel zu klein, um allein draußen rumzulaufen.«
Wenn ein zerbrochener Spiegel
sieben Jahre Pech bringen kann, was ist dann die Strafe dafür, den Körper eines Menschen zu zerbrechen? Wie misst man so etwas auf der Skala der Sünden? Wie viele Ave Maria und Vaterunser?
Callum Loach wurde zum Krüppel, Aiden Foster kam ins Gefängnis. Und ab da war Tashs Leben nur noch beschissen. Es heißt immer, das Schicksal eines Menschen könne sich von einem Augenblick zum anderen wenden – eine zufällige Begegnung, ein Fehler oder eine glückliche Fügung. Das stimmt. Ich glaube aber nicht an Schicksal oder Bestimmung, sondern bloß an schieres Pech … aber das ist eine andere Geschichte.
Tash war seit drei Monaten irgendwie mit Aiden Foster zusammen, als es passierte. »Irgendwie« sage ich, weil so was nie förmlich gemacht wird. Nicht wie in amerikanischen Teenie-Filmen, wo sich die Leute offiziell zum Paar erklären oder College-Ringe tauschen.
Aiden war vier Jahre älter und einer von Haydens Freunden. Sie wären im selben Jahrgang gewesen, wenn Aiden nicht nach der Mittleren Reife abgegangen wäre, um eine Lehre in der Werkstatt seines Vaters zu machen. Er hatte immer schmutzige Fingernägel, was ich echt abstoßend fand, aber Tash störte es offenbar nicht.
Es machte ihr Spaß, ihn eifersüchtig zu machen. Das konnte sie aus dem Stand und im Schlaf. Aiden war sogar eifersüchtig auf ihre Klamotten, weil die den ganzen Tag ihre Haut berühren durften. Das hat er selbst gesagt. Und er trug immer einen Slip von ihr mit sich herum, einen getragenen, was einfach nur eklig ist.
Außerdem war er die meiste Zeit ein blöder Wichser. Er hatte die Haare nach hinten gegelt, als ob er in einem heulenden Sturm stehen oder Skydiving machen würde, und hielt sich für einen ganz heißen Typen, weil er Gitarre in einer Band spielte, die für Partys verpflichtet wurde, meistens von Freunden. Achtzehnte und einundzwanzigste Geburtstage.
Deswegen sind wir auch zu der Party in Abingdon gegangen. Irgendjemand hatte Geburtstag. Ich habe Mum und Dad angelogen und gesagt, ich würde bei Tash übernachten. Aiden hat uns mit seinem Auto abgeholt und die ganze Fahrt über Tashs Schenkel gestreichelt.
Die Party war in einem großen alten Haus mit Bogen über den Türen und Fenstern, und es wimmelte von College-Kids mit Lederjacken und kurzen Haaren sowie Mädchen, die nach Pantene-Shampoo und Zigaretten rochen.
Tash war gut gelaunt. Sie war jünger als alle anderen Mädchen auf der Party (und hübscher), aber rausschmeißen würde sie bestimmt keiner. Hayden hatte ihr ein bisschen Stoff zum Verkaufen gegeben, und sie hatte die Ware unterwegs vor getestet. Ihre Augen waren wie schwarze Murmeln, und sie schwankte und kicherte.
Ein Typ namens Simon versuchte, mich anzumachen, indem er mir schmutzige Witze erzählte. Ich unterbrach ihn jedes Mal in der Mitte und sagte, den kenne ich schon.
»Und wie geht die Pointe?«
»Hab ich vergessen«, sagte ich. »Aber ich weiß, dass ich ihn schon einmal gehört habe.«
»Wann hast du zum letzten Mal gelacht?«
»Gestern Morgen um 11.34 Uhr. Und morgen werde ich wieder lachen, wenn ich an dich denke.«
Danach ließ er mich endlich in Ruhe und verzog sich murmelnd.
Die Leute rauchten und tranken und schmissen Pillen ein. Einige erkannte ich von der Schule
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