Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
Soho hat.«
Ich sehe Ruiz an.
»Warum hat sie Ihnen geschrieben?«
»Um zu sagen, dass es ihr leidtut.«
»Was?«
»Was glauben Sie denn, Scheiße noch mal?«
»Haben Sie den Brief noch?«
»Oh ja, ich hab ihn zusammen mit den Stickereien und den gepressten Blumen in meinem Poesiealbum aufbewahrt.«
Das findet Aiden lustig. Er will ein Publikum.
»Haben Sie zurückgeschrieben?«
»Warum sollte ich ihr schreiben? Sie hat mich hierhergebracht. Sie hat Callum Loach in den Rollstuhl gebracht. Ohne die kleine Schwanzfopperin wäre das alles nicht passiert.«
Ich sehe, wie Ruiz’ Schultern sich unter seinem Hemd spannen. Es ist weniger Aidens Gejammer, das ihn stört, als dessen prahlerische Selbsteingenommenheit und die Tatsache, dass er seine unermessliche Dummheit einem Schulmädchen in die Schuhe schieben will, weil alles andere zu viel Selbstanalyse und Eigenverantwortung bedeuten würde.
»Warum haben Sie niemandem von dem Brief erzählt?«, frage ich.
»Warum sollte ich? Mir hat auch niemand einen Gefallen getan.«
Ich ziehe ein Foto aus der Jackentasche und lege es zwischen seinen Ellbogen auf den Tisch. Es ist eine Aufnahme von der Obduktion. Natashas dünner Körper liegt auf dem Edelstahltisch, angeschwollen und schutzlos, die Augen leer. Aiden starrt mich an, um das Bild nicht ansehen zu müssen. Schließlich senkt er langsam den Blick, stockt, fasst sich wieder.
»Jetzt ist sie nicht mehr so hübsch«, sagt er und wendet den Kopf ab.
»Glauben Sie immer noch, dass es ihr recht geschieht?«, fragt Ruiz.
Aiden lächelt reumütig mit dem Mitgefühl eines Hais, den man in einer Robbenkolonie losgelassen hat.
»Seit ich hier drin bin, gehe ich zur Kirche. Da hab ich ein paar Dinge gelernt. Es ist so, wie es in der Bibel steht: ›Was der Mensch sät, das wird er ernten.‹ Männer, Frauen, ganz egal. Sie hat bekommen, was sie verdient hat.«
Als wir aus dem Gefängnis kommen, nimmt Ruiz ein Bonbon aus seiner Dose und lutscht grimmig daran, wie um einen schlechten Geschmack loszuwerden.
»Du weißt ja, die meisten Knackis haben es verdient, dass sie einsitzen.«
»Ja.«
»Manche haben es noch mehr verdient als andere.«
28
Am späten Nachmittag fahre ich durch feuchten Dunst, der sich nicht entscheiden kann, Regen zu werden oder sich aufzulösen. Die Straßen sind voller Autos und großer Busse. Die Schulen schließen, die Weihnachtsferien haben begonnen, in letzter Minute werden noch Geschenke besorgt. In den Colleges treffen Eltern ein, um ihren Nachwuchs von der Universität abzuholen. Koffer werden enge Stiegen hinuntergeschleppt und in Kofferräume verladen.
Es erinnert mich an meine Studienzeit. Ich hatte eine vierjährige Übernachtungsparty voller Sex, Alkohol und weicher Drogen erwartet. Stattdessen verliebte ich mich in Mädchen, die sich in meiner Gesellschaft wunderbar amüsierten, in mir jedoch keinen Mann fürs Bett sahen. Offenbar bevorzugten sie Rugbyspieler oder Jungen namens Rupert, deren Eltern ländliche Anwesen besaßen. Ich konnte eigentlich nur meine unsterbliche Liebe und eine Flasche warmen Lambrusco anbieten.
Victoria Naparstek kommt mir in den Sinn, ihre schüchternen Augen und ihr zu breiter Mund. Ich erinnere mich, in ihrem Blick die gleiche Dankbarkeit gelesen zu haben, die ich selbst empfand; eine Wertschätzung dafür, dass sie da war und ich mich nicht vollkommen zum Idioten gemacht hatte.
Ich parke vor dem Sportzentrum. Als ich die Doppeltür aufstoße, höre ich das Echo von Basketbällen, die gegen das Brett hinter dem Korb prallen. Die Frau am Empfangstresen trägt einen Trainingsanzug an ihrem schmalen Körper und um die Augen zwanzig Jahre Sonnenschäden. Ich frage nach Callum Loach.
Sie weist auf eine weitere Doppeltür. »Er ist bestimmt da drinnen mit dem Ayatollah.«
»Verzeihung?«
»Theo. Das ist sein Vater.«
Drei Basketballfelder passen nebeneinander in die Halle, doch nur eins wird benutzt. Theo Loach läuft am Spielfeldrand auf und ab, brüllt Anweisungen, duckt sich und bewegt den Oberkörper hin und her, als würde er schattenboxen oder die Partie von der Tribüne aus mitspielen. Ein Fallschirmjäger-Tattoo an seinem rechten Unterarm ist zu einem blauen Fleck verblasst.
»Hey, Callum, achte auf den Konter. So ist gut … decken.«
Ich habe noch nie ein Rollstuhlbasketballspiel gesehen und bin überrascht, wie schnell es ist. Mit kurzen Unterarmbewegung sausen die Spieler über das Feld.
Ich erkenne Callum von dem Foto wieder. Er
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