Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
scheiß drauf, ich will nicht darüber reden.«
Er schweigt lange und betrachtet unkonzentriert das Spiel.
»Aiden Foster hat nie angerufen. Er hat keinen Brief geschrieben. Er hat nie gesagt, dass es ihm leidtut. Nein, warten Sie, das stimmt nicht. Sein Anwaltsteam ist zu uns gekommen, um ein Treffen zwischen Callum und Aiden zu organisieren, eine Versöhnung, sagten sie. Sie tauchten mit einem Fernsehteam auf und wollten das Ganze filmen, damit sie es dem Richter zeigen und ein milderes Urteil für Aiden bewirken konnten. Vielleicht wenn Aiden ohne die Kameras aufgetaucht wäre. Vielleicht hätte ich ihm dann geglaubt.«
Der Schiedsrichter hat die Partie abgepfiffen. Händeschütteln. High-Fives. Callum rollt aus dem Kreis über den polierten Holzboden. Er ist ein gut aussehender Junge mit breiten Schultern wie ein Schwimmer und einem blonden Schopf, den er nach hinten wirft, dass Schweißperlen fliegen. Er sieht aus, als sollte er Werbung für Gatorade machen, in einem Sport-Quiz der BBC auftreten oder eine scharf aussehende Freundin haben. Theo wirft ihm ein Handtuch zu. Callum leert eine Wasserflasche, wischt sich Mund und Hände ab und wirft die leere Flasche in Richtung seiner Sporttasche. Er verfehlt sie.
»Mein erster Fehlwurf heute«, sagt er grinsend.
»Das ist Joe O’Loughlin«, stellt Theo mich vor. »Er arbeitet für die Polizei. Er möchte mit dir über ›Du-weißt-schon-wen‹ sprechen.«
»Du kannst ruhig ihren Namen sagen, Dad.«
Callum streckt mir zögernd die Hand hin.
»Ich hab ihm gesagt, dass du keine Ahnung hast«, sagt Theo.
»Warum sollte irgendjemand glauben, dass ich etwas wüsste?«, fragt Callum.
»Das hab ich ihm auch gesagt. Ich hab gesagt, du weißt nichts. Ich hab ihm gesagt, dass du Wichtigeres zu bedenken hast. Dieses Mädchen hat immer nur Ärger gemacht.«
»Sprich nicht so über sie, Dad. Sie ist tot. Was geschehen ist, ist geschehen.«
Callum wendet seinen Stuhl und sieht mich an. »Was ist mit ihr passiert? Ich meine … wo ist sie die ganze Zeit gewesen?«
»Wir wissen es nicht.«
»Die Polizei muss doch eine Ahnung haben.«
»Hast du eine?«
Die Pause dehnt sich einen Schlag länger als behaglich. Callum schüttelt den Kopf.
Theo ermahnt ihn, ein Sweatshirt anzuziehen, damit er sich nicht verkühlt.
»Die Olympischen Spiele, das ist eine große Sache«, sage ich, als ich das Mannschaftslogo auf seiner Sporttasche sehe.
»Ja, ist es.« Er wippt nach hinten und balanciert den Rollstuhl auf zwei Rädern. »Es war mein Dad, der mich zum Rollstuhlbasketball gebracht hat. Er hat mich zu einem Spiel mitgenommen. Ich habe ihm erklärt, wenn ich nicht auf eigenen Füßen stehen kann, will ich gar nicht spielen.«
»Was hat dich bewogen, deine Meinung zu ändern?«
Er zuckt die Achseln. »Bevor es passiert ist, war Sport etwas ganz Natürliches für mich. Fußball. Training. Ich musste nicht nachdenken. Nach meiner Verletzung bin ich mir meines Körpers und meiner Gesundheit bewusster geworden. Ich habe angefangen, mich fit zu halten. Und jetzt macht es mich glücklich. Und bringt mir Respekt ein.«
»Aber du musst es doch auch bedauern.«
»Was?«
»Behindert zu sein.«
»Ich habe meine Beine verloren. Jetzt hab ich die.« Er öffnet seine Sporttasche und zeigt mir zwei hautfarbene und echt aussehende Prothesen mit Sportschuhen an den Füßen.
»Wem gibst du die Schuld?«
»Muss ich jemandem die Schuld geben?«
»Das machen die meisten Menschen.«
»Warum?«
»Es hilft ihnen bei der Bewältigung.«
»Sie meinen, es liefert ihnen eine Entschuldigung.«
»Kann sein.«
Er schüttelt den Kopf. »Als ich im Krankenhaus aufgewacht bin und nach unten geguckt habe, wo früher meine Beine waren, habe ich diese ganze verbitterte Warum-ich-Reaktion durchgemacht. Ich habe es geleugnet, ich habe getrauert, ich habe über die Ungerechtigkeit geschrien und wollte in ein dunkles Loch kriechen. Das habe ich eine Zeitlang auch getan. Ich habe Aiden Foster gehasst. Ich habe Natasha McBain gehasst. Ich habe jeden gehasst, der einen gesunden Körper hat und auf zwei Beinen herumlaufen kann.«
»Was hat sich verändert?«
Er zuckt die Schultern. »Zeit ist vergangen. Ich habe aufgehört, Ausflüchte zu suchen. Gewinner machen keine Ausflüchte. Ob auf dem Court oder vor einer Treppe – ich suche keine Ausflüchte. Ich finde einen Weg.«
Er schnallt seine Beine an, rollt seine Hosenbeine darüber und rubbelt sich mit dem Handtuch das verschwitzte Haar ab. Theo ist
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