Sag Mami Good bye - Fielding, J: Sag Mami Good bye - Kiss Mommy Good Bye
so wollte.
Die jüngere Frau ließ ein gezwungenes Lächeln sehen. Dann erhob sie sich nicht ohne Mühe, murmelte irgend etwas: Sie müsse ihrem Söhnchen helfen oder so. Mit erstaunlich schnellen Schritten (zumindest für eine Frau in ihrem Zustand) näherte sie sich ihrem kleinen Sohn, der fröhlich herumturnte, sagte irgend etwas zu ihm – und setzte sich dann auf eine Bank auf der anderen Seite des Spielplatzes. Sie zog ein Buch aus ihrer Handtasche und vermied jeden Blick in Donnas Richtung.
Wer kann auch Weihnachten vergessen, dachte Donna für sich. Doch nur jemand, der nicht ganz richtig im Kopf ist. Sie stand auf und ging langsam in Richtung Parkausgang.
Der Mann war schlank, fast knochig. Mit John Travolta besaß er überhaupt keine Ähnlichkeit, fand Donna, und sie fragte sich, wie es nur kam, daß sie zunächst diesen Eindruck gewonnen hatte. John Travolta war dunkelhaarig und hatte elastische Hüften. Dieser Junge – denn mehr als ein Junge war er kaum, wie sie jetzt trotz des trüben Lichts sehen konnte – hatte absolut durchschnittliches
braunes Haar, besaß einen eher mäßigen Sex-Appeal, und was seine Hüften betraf, so bemühten sie sich um Elastizität.
Was hatte er hier zu suchen? Nein, das war falsch formuliert. Was suchte er hier? Schließlich befanden sie sich in ihrem Motelzimmer. Donna saß auf ihrem Bett; er stand drüben beim Toilettentisch vorm Spiegel und kämmte sich das Haar. Hautenge schwarze Jeans und Stiefel mit hohen Absätzen trug er. Kein Hemd. Rasch blickte Donna an sich hinab – sie hatte noch die hellblauen Velourshorts mit dem passenden Oberteil an, die sie nun schon seit mehreren Tagen trug. Hatten sie sich bereits geliebt? War sie schon wieder angekleidet und wartete darauf, daß er endlich fertig wurde und ging?
Sie blickte zu dem Jüngling. Ja, das war wohl das richtige Wort, so altmodisch es auch klingen mochte. Jüngling. Kein Junge mehr, aber auch noch kein Mann. Er war mindestens zehn Jahre jünger als sie. Was suchte er in ihrem Motelzimmer? Wo hatte sie ihn – aufgegabelt?
»Welcher Tag ist heute?« fragte sie ihn plötzlich.
Langsam drehte er sich zu ihr um. Auf seinem Gesicht spiegelte sich Verwunderung. »Freitag«, erwiderte er. Seine Stimme klang für sie fremd. Hatte sie ihn schon einmal sprechen hören, oder war dies das erstemal? »Bin in ein paar Sekunden bei dir, Baby.« Im Spiegel betrachtete er sein Profil. Gar kein Zweifel: Er war weit mehr an seiner eigenen Vollkommenheit interessiert als an ihr.
»Welches Datum haben wir?« Auch ihre eigene Stimme klang ihr fremd. Als hörte sie sich auf einer Tonbandaufnahme zu. Mehr noch: Bei der ganzen Szene schien sie Zuschauerin zu sein, alles von der anderen Seite des Raums beobachtend: zwei Fremde, der Mann – oder Jüngling – halbbekleidet vor dem Spiegel, in die Betrachtung seines eigenen Spiegelbildes versunken, die Frau auf dem Bett sitzend, noch vollständig angekleidet und
wartend. Wartend worauf? Daß er ging? Daß er sich ihr näherte? Daß er sie liebte? Wer war dieser Junge? Wie war er in ihr Motelzimmer gelangt?
»Welches Datum haben wir?« fragte die Stimme wieder, fast fieberhaft.
»He, Baby, das fragst du mich nun dauernd. Was ist denn los? Stimmt irgendwas nicht mit dir?«
»Welches Datum haben wir?« Sie hatten also schon miteinander gesprochen.
»Es ist noch immer Freitag, der 31. Dezember.« Er wandte sich wieder dem Spiegel zu, warf dann einen Blick auf seine Armbanduhr, die er auf den Toilettentisch gelegt hatte. »Wie ich dir schon im Park gesagt habe – lange kann ich nicht bleiben. Hab’ne Verabredung für heute abend.« Er lächelte dümmlich. »Is ja klar, nich? Silvester und so.«
Hatten sie sich bereits geliebt? War er deshalb hier? Wieder fühlte sie sich wie eine Beobachterin außerhalb – oder doch am Rande – der Szene. Geschickt streifte er seine Stiefel ab und näherte sich dann bis auf einen halben Meter der verwirrten Frau auf dem Bettrand. Jetzt sahen gleichsam beide Frauen zu, während er aufreizend seinen Gürtel löste und die schwarzen Jeans Zentimeter für Zentimeter seine Hüften hinabgleiten ließ. Unterwäsche trug er nicht.
»Sie haben eine hübsche Figur«, hörte sie die Frauenstimme sagen. Er streifte die Jeans ab und tänzelte dann wieder in Richtung Spiegel, um sich von allen Seiten zu betrachten.
»Phantastisch, was?« sagte er. Es war weniger eine Frage als eine Feststellung. »Ich trainiere auch jeden Tag in einer Sporthalle.
Weitere Kostenlose Bücher