Sag mir, wo die Mädchen sind
Einsatz müsse, aber sicher nicht stundenlang weg sein würde. Antti war zum Glück mit dem Bus gefahren, sodass ich unseren Wagen nehmen konnte. Beim ersten Startversuch sprang Jahnukainen unter dem Auto hervor. Der kalte Motor spuckte ein paarmal, bevor er ansprang, und das Lenkrad war so eisig, dass man es ohne Handschuhe nicht berühren konnte. Ich hatte die Verbindung zu Heini nicht abgebrochen. Aus ihrer Wohnung war ein tierisches Jaulen zu hören, das offenbar von Samir ausging.
«Heini, bist du noch dran?»
«Ja. Ich muss mal.»
«Versuch, es noch eine Weile einzuhalten. Es tut mir leid. Ist es zur Penetration gekommen? Hat er in dir ejakuliert?»
«Ja …»
«Ein Krankenwagen ist ebenfalls unterwegs, allerdings ohne Arzt. Wenn du urinieren musst, mach in eine Schüssel.» Es war grausam, einem Menschen, dem gerade das Schlimmste zugestoßen war, derart klinische Anweisungen zu geben, aber das war mein Job. «Ich bin in zehn Minuten bei dir.»
Die Straße war mit zahlreichen Bremsschwellen versehen, aber die meisten Ampeln waren durch Verkehrsinseln ersetzt worden, die ich umkurvte wie ein Rallyefahrer. Der Wagen hüpfte über die Schwellen, glücklicherweise herrschte wenig Verkehr, und das Einzige, was mir beinahe unter die Räder gekommen wäre, war ein entlaufener Collie, der zwar eine Reflektorweste und ein reflektierendes Halsband trug, aber mitten auf der Fahrbahn herumlief. Als ich gerade auf die Merituulentie abbog, hörte ich am Handy, dass Heinis Türglocke anschlug. Die Streife war kurz vor mir eingetroffen.
«Machen Sie auf, hier ist die Polizei», rief eine Frau, die ich an der Stimme erkannte. Liisa Rasilainen, Gott sei Dank. «Polizeimeister Liisa Rasilainen und Sami Timonen von der Espooer Polizei. Uns wurde eine Vergewaltigung gemeldet.»
Ich unterbrach die Verbindung und bog in die Hakarinne ein. Die Parkbuchten waren zum Teil noch zugeschneit, daher parkte ich unvorschriftsmäßig am Rand einer Schneewehe. Der Streifenwagen stand unmittelbar an der Haustür. Ich war vor ewigen Zeiten einmal in diesem Haus gewesen, als ich vorübergehend bei einer dubiosen Anwaltskanzlei in Tapiola gearbeitet hatte. Heini Korhonens Wohnung lag im zweiten Stock. Obwohl es einen Aufzug gab, rannte ich die Treppe hoch. Die Tür zur Nachbarwohnung war offen, eine alte Frau stand auf dem Treppenflur und hielt die Tür mit dem Schlüssel auf.
«Warum ist die Polizei bei der kleinen Korhonen?», fragte sie mit lauter Stimme. «Sie hat so ein gutes Benehmen. Sind etwa Einbrecher zugange?»
«Darum geht es nicht.»
«Was?», rief die Frau. «Ich habe das Hörgerät nicht an, weil ich gerade erst vom Mittagsschlaf aufgestanden bin. Ich habe nur gesehen, dass ein Polizeiwagen vor unserem Haus hält, und wollte wissen, was los ist.»
Wenn die alte Dame schwerhörig war, hatte es wenig Sinn, sie nach den Vorfällen in der Nachbarwohnung zu fragen. Ich klingelte bei Heini und starrte verblüfft in Timonens Gesicht. Es konnte nicht der Hauptmeister aus Ruuskanens Dezernat sein, denn er trug die Uniform der Schupo, also musste es sich um einen Zwillingsbruder handeln.
«Hallo, ich bin nicht mein Bruder», begrüßte er mich grinsend, doch mir war ganz und gar nicht zum Lachen. Ich nahm meine Schutzkleidung aus dem Einsatzkoffer und legte sie an. Das Jaulen, das ich am Handy gehört hatte, hielt an, und als ich das einzige Zimmer der Wohnung betrat, sah ich Samir Amir gekrümmt in der Ecke kauern. Er schaukelte vor und zurück und winselte. Auf dem Bett waren Heinis Beine zu sehen, sie trug Söckchen, aber die Beine waren nackt. Als ich näher kam, sah ich, dass ihre Bluse zerrissen war, um den Unterleib hatte sie ein Badetuch gewickelt.
«Ich konnte es nicht mehr aufhalten», murmelte sie. «Ich musste einfach …»
«Macht nichts.»
Sie hatte eine Prellung an der Schläfe, und ihr war Blut aus der Nase gelaufen, das am Kinn und am Hals getrocknet war. «Ich weiß, dass eine gynäkologische Untersuchung in dieser Situation nicht angenehm ist, aber beim Prozess werden die medizinischen Befunde möglicherweise gebraucht. Ich gehe davon aus, dass es keine unbeteiligten Zeugen gibt.»
«Was?»
«Außer dir und Samir war niemand in der Wohnung, nicht wahr? Kannst du mir kurz berichten, was passiert ist?» Ich konnte nicht beurteilen, in welcher Verfassung Heini war, das war Sache der Ärzte. Für alle Fälle holte ich jedoch das Aufnahmegerät aus dem Einsatzkoffer und sprach die Routineangaben ins
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