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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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würde.
    Die ganze Woche über ließ Azizas Familie nichts von sich hören. Koivu klingelte jeden Abend, eine Streife der Schutzpolizei mehrmals tagsüber. Am Donnerstag beschlossen wir, die Ausreiseregister durchzusehen. Aziza selbst wäre bei der Passkontrolle am Flughafen oder bei dem Versuch, ein Fährschiff zu besteigen, festgehalten worden, aber bei den anderen Familienmitgliedern war keine entsprechende Kontrolle angeordnet worden. Tatsächlich fand ich schließlich heraus, dass Abdi Hasan Mohammed, seine Frau Selene Salim und ihre minderjährigen Söhne Ali Abdi Hasan und Mohammed Abdi Hasan am zweiten März mit dem Schiff von Turku nach Stockholm gefahren waren. Die Jungen waren noch schulpflichtig, sie besuchten die Grundschule. Laut Auskunft der Schule hatte die Familie mitgeteilt, dass die Jungen in der Woche vor den Skiferien verreisen würden. Die Rektorin hatte den einwöchigen Sonderurlaub genehmigt; als die Jungen nach den Skiferien nicht zur Schule gekommen waren, hatten die Klassenlehrer vergeblich versucht, die Familie zu erreichen.
    «Ich habe mit der Rektorin gesprochen. Ich kenne sie, unser Juuso geht ja in dieselbe Schule, und Sennu wird nächstes Jahr auch dort eingeschult. Die Brüder Hasan sind schon im Teenageralter, besuchen aber noch die Migrantenklassen der Grundschule. Beide sind aufgrund diverser Entwicklungsstörungen lernbehindert. Sie haben nicht einmal richtig lesen gelernt. Der Vater und Aziza sind die Einzigen in der Familie, die wenigstens Dari lesen können, und nur Aziza versteht gut Finnisch. Die Rektorin sagt, sie hätten vorgehabt, sich in der nächsten Woche mit dem Jugendamt in Verbindung zu setzen. Nach Aziza scheint nun also auch der Rest der Familie spurlos verschwunden zu sein. Ihre Aufenthaltsgenehmigung gilt noch bis Ende nächsten Jahres.»
    «Vielleicht sollten wir uns die Wohnung ansehen. Irgendein verdächtiger Geruch ist offenbar nicht festgestellt worden?»
    «Nach Leichen riecht es nicht», bestätigte Koivu.
    «Habt ihr gründlich recherchiert, als euch die Verbindungen zwischen den Vermissten aufgefallen sind? Sind alle Mitglieder von Azizas Familie gleichzeitig eingereist, waren ihre Papiere in Ordnung?»
    Koivu versprach, es zu überprüfen. Ich beantragte den Durchsuchungsbefehl und schrieb erneut eine E-Mail an Uzuri. Dann setzte ich mich mit der Sicherheitspolizei in Verbindung, erhielt aber nur die barsche Antwort, eine minderjährige weibliche Person namens Aziza Abdi Hasan stehe auf keiner Beobachtungsliste. Als ich den Namen Issa Omar nannte, verweigerte der Beamte jede Auskunft. Dennoch war ich sicher, dass mein Anruf die Sicherheitspolizei in Aktion versetzen würde. Das war mir nur recht; es ging mir nicht um meinen persönlichen Erfolg, sondern darum, dass Aziza gefunden wurde. Die Sicherheitspolizei hatte ihr Revier in letzter Zeit erweitert, sie war nun auch direkt geheimdienstlich tätig und hatte im Ausland Einheiten gegründet. Sofern Omar Jussufs Reich zu nahe an Finnland heranrückte, würde die Sicherheitspolizei davon erfahren, ihre Erkenntnisse allerdings nicht mit gewöhnlichen Kriminalbeamten teilen.
    Am Donnerstag fielen in Espoo zahlreiche Messerstechereien und familiäre Gewalttaten an, daher forderte Ruuskanen meine Mitarbeiter Puupponen und Koivu zur Unterstützung an. Ich kontaktierte den Jugendschutz und machte einen kurzen Besuch bei Sara Amirs Eltern. Sie verstanden nicht, wieso sie nicht selbst entscheiden durften, wo ihre Tochter leben sollte. Nach Auskunft der bosnischen Polizei wollte Sara in ihrer alten Heimat bleiben. Wo lag das Problem?
    Am Donnerstagmorgen erhielt ich auch den Durchsuchungsbefehl für die Wohnung von Azizas Familie. Da die anderen Mitarbeiter meiner Zelle Ruuskanens Dezernat unterstützen mussten, machte ich mich ohne sie auf den Weg. Nur die Kriminaltechnikerin Assi Haatainen begleitete mich. Sie hatte ihren Dienst in Espoo in der Zeit meiner Abwesenheit angetreten, war etwa dreißig Jahre alt, wirkte tüchtig und resolut und redete auf der Fahrt nach Leppävaara so viel, dass mir der Kopf schwirrte. Schon im Treppenhaus legten wir die Zellstoff-Overalls, die Überschuhe, die Kopfhauben und die Einweg-Handschuhe an.
    Gleich darauf traf der Mann vom Immobilienservice ein. Ich hatte bereits erfahren, dass Azizas Familie die Miete für den laufenden Monat nicht bezahlt hatte, doch es hatte früher keine Mietrückstände gegeben, und die Zahlungsfrist war erst vor zehn Tagen abgelaufen, weshalb man

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