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Sag mir, wo die Mädchen sind

Sag mir, wo die Mädchen sind

Titel: Sag mir, wo die Mädchen sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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aufgewacht, hatte Kaffee gekocht und den Videotext eingeschaltet.
    «Zwanzig Tote», sagte er zur Begrüßung, und ich las die Nachricht, während ich meine Dehnübungen machte. Diesmal hatte Vala richtiggelegen: Die Drogenbarone wurden als Drahtzieher des Anschlags verdächtigt. Eines der Ziele der neustrukturierten Polizeikräfte in Afghanistan war die Eindämmung des blühenden Drogenhandels. Afghanistan produzierte achtzig Prozent des weltweit gehandelten Heroins. Wenn es gelang, auch nur die Hälfte davon aus dem Verkehr zu ziehen, bedeutete das für die Verkäufer ungeheure finanzielle Verluste.
    Nach dem Duschen las ich die Zeitung, die ebenfalls über den Anschlag berichtete. Sie brachte auch ein Foto von dem qualmenden Gebäude; die Bildqualität war schlecht, offenbar war das Foto mit einem Handy aufgenommen worden. Als Urheber wurde eine amerikanische Agentur genannt. Obwohl ich schon wieder den Rauch zu riechen glaubte, zwang ich mich, ordentlich zu frühstücken.
    Ruuskanen hatte noch nichts von sich hören lassen, und ich hatte keine Lust, seine Arbeit zu tun. An meinem Handy ging erneut ein Anruf von der Fernsehanstalt ein. Ich ging in die Sauna, bevor ich mich meldete, um ungestört sprechen zu können.
    «Aija Heikkinen vom Nachrichtenstudio, guten Morgen. Spreche ich mit Kommissarin Maria Kallio, die im vorigen Jahr Lehrkräfte für die neue Polizeischule in Afghanistan ausgebildet und an der Eröffnung teilgenommen hat?»
    «Ja, das bin ich.»
    «Sie haben sicher von dem Terroranschlag auf die Schule gehört, bei dem mindestens zwanzig Menschen zu Tode gekommen sind. Wie würden Sie den Vorfall kommentieren?»
    «Nehmen Sie das Gespräch auf Band auf?»
    «Noch nicht. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung, wenn es so weit ist.»
    «Ich weiß zu wenig, um wirklich etwas dazu sagen zu können. Ich habe keine Informationen bekommen, die über das hinausgehen, was die Medien berichten.»
    «Wurden Sie während der Ausbildung oder bei der Eröffnung der Schule bedroht?»
    «Ich hatte von keinerlei Drohungen gehört, bis wir von der Eröffnung zurückkehrten. Wie Sie sicher wissen, wurde unser Konvoi beschossen und von einer Bombe am Straßenrand getroffen. Es konnte allerdings nicht geklärt werden, wer für diesen Angriff verantwortlich war.»
    «Was halten Sie von der Beteiligung Finnlands an internationalen Projekten dieser Art? Ist es sinnvoll, das Geld der finnischen Steuerzahler in risikoträchtige Maßnahmen zu investieren, bei denen es womöglich zu hundert Prozent verlorengeht?»
    Ich schluckte die Antwort herunter, die mir auf der Zunge lag, dass nämlich das Geld der Steuerzahler offenbar immer an die falsche Adresse ging, ganz gleich, wie sie lautete.
    «Es geht um globale Verantwortung. Die Gründung der Polizeischule lag auch im Interesse Finnlands und der anderen westlichen Staaten, denn nur aktive und gut organisierte Polizeikräfte können den Rauschgifthandel in Afghanistan unterbinden», sagte ich. Dieses Argument hatte ich schon so oft vorgebracht, dass es in meinen Ohren klang wie eine auswendig gelernte Litanei.
    «Würden Sie diesen letzten Kommentar noch einmal wiederholen, diesmal auf Band?»
    Ich sagte die beiden Sätze noch einmal. Dann fragte die Redakteurin, ob unter den Toten auch in Finnland ausgebildete Lehrkräfte seien. Darauf erwiderte ich lediglich, bisher seien mir die Namen der Opfer nicht bekannt. Kaum hatte ich das Gespräch beendet, rief Ursula an. Sie hatte schon frühmorgens begonnen, mit Puupponen in Kuitinmäki die Runde zu machen, auf der Suche nach Augenzeugen, die den grauen Corolla, den Rahim möglicherweise gefahren hatte, am Abend von Noors Ermordung in der Gegend gesehen hatten.
    «Der erste Vergleich der Reifenabdrücke schließt die Hypothese jedenfalls nicht aus. Glaub mir, der Rahim war’s, der hat seine Cousine umgebracht. Sollte man vielleicht in deren Moscheen und sonstigen Treffpunkten Warnungen anbringen, dass sie allesamt die Migrationsgegner am Hals haben, wenn die Sache publik wird?»
    «Wir wollen niemanden provozieren, Ursula», erwiderte ich, da ertönte das Klopfzeichen im Handy. Diesmal rief Ruuskanen an. Er teilte mit, um halb elf finde eine gemeinsame Besprechung meiner Zelle und des Gewaltdezernats statt. Wie lange wir danach weiterarbeiten mussten, stand in den Sternen.
    Taneli hatte Eiskunstlauftraining, aber er kam im Bus schon ganz gut allein zurecht, und außerdem konnte mein Vater ihn begleiten. Er hatte sich genau die richtige

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