Sag niemals nie
Hotel wohnt, und das finde ich doch sehr bedenklich. Ihre Zulassung
in Yale ist längst noch nicht gesichert, da ist es wohl kaum angemessen, eine
junge Frau unbeaufsichtigt in einer so...«, sie suchte nach den passenden
Worten, »... ungeordneten Umgebung wohnen zu lassen.«
Eleanor lächelte die Direktorin
verwirrt an. Sie hatte keine Ahnung. Zwar war ihr aufgefallen, dass Blair übers
Wochenende anscheinend viel weg gewesen war, aber sie hatte keine genaue
Vorstellung gehabt, wo sie gewesen sein könnte. Sie hatte auch nicht bemerkt,
dass Blair gestern nicht nach Hause gekommen war, weil sie Cyrus zu einer
Cocktailparty begleitet hatte, um die Fertigstellung eines seiner Bauprojekte
zu feiern, und selbst erst gegen zwei Uhr morgens zurückgekehrt war. Sie nahm
im Sessel links vor Mrs Ms Schreibtisch Platz und klemmte sich ihr Baby unter
den Arm, als wäre es die neuste Birkin-Bag von Hermes. Yale protestierte zwar
lautstark, aber Eleanor lächelte nur hilflos, als wüsste sie nicht, wohin mit
ihr.
Blair rutschte unruhig hin und
her. Verstand Mrs M denn nicht, dass man mit einer solchen Frau als Mutter in
ein Hotel ziehen musste?
»Blair hat gestern bei mir
geschlafen«, schwindelte Serena. Für jemanden, der wie eine unschuldige Upper-
East-Side-Barbie aussah, war
Serena im Ernstfall erstaunlich durchtrieben. »Sehen Sie, ich hab ihr ja auch
eine Schuluniform von mir geliehen.«
»Und weshalb habe ich dann
heute Morgen lauter besorgte Anrufe von Eltern erhalten, die sich erkundigten,
ob es normal sei, dass unsere Schülerinnen mit betrunkenen Rockstars in
Hotelzimmern übernachten?«, fragte Mrs M. »Es rief sogar ein Verlag bei mir an,
der einen Führer für Privatschulen herausgibt. Die Constance-Billard-Schule hat
bald die zweifelhafte Ehre, unter den fünf Schulen aufgeführt zu werden, die
empfohlen werden, falls man eine Tochter hat, die berühmt werden oder sich
einen berühmten Freund angeln soll.«
»Echt? Cool!«, entfuhr es
Jenny, obwohl sie sich gleich darauf am liebsten auf die Zunge gebissen hätte.
Mrs M warf ihr einen
vernichtenden Blick zu und wandte sich dann wieder an Eleanor Rose. Sie schien
nicht zu wissen, welchen Rat sie ihr bezüglich der Erziehung ihrer Tochter
geben sollte, ein Problem, das ihr sicherlich vertraut war, denn die wenigsten
Eltern von Cons- tance-Billard-Schülerinnen kümmerten sich selbst um ihren
Nachwuchs. Wozu gab es schließlich bezahlte pädagogische Fachkräfte?
»Na ja, wenn die beiden Mädchen
die ganze Zeit zusammen waren, kann ja nichts Schlimmes passiert sein«, sagte
Eleanor zu Blairs großer Verwunderung. So viel Durchblick hätte sie ihr gar
nicht zugetraut.
»Außerdem sind wir doch die
ganze Zeit im Zimmer gewesen«, ergänzte Blair und klappte den Mund schnell wieder
zu. Scheiße, was redete sie denn da? Serena hatte doch schon geklärt, dass sie
bei ihr übernachtet hatte.
In diesem Moment klopfte es und
Lillian van der Woodsen und Rufus Humphrey betraten den Raum. Jennys Vater war
es nicht gewöhnt, so früh aufzustehen beziehungsweise vor elf Uhr vormittags
das Haus zu verlassen, weshalb er sogar noch abgewrackter aussah als sonst. Er
hatte sich seine langen, drahtigen grau melierten Haare mit einer riesigen
violetten Glitzerspange hochgesteckt, die sich Jenny mal in der vierten Klasse
gekauft hatte, und trug eine graue, kurz unter dem Knie abgeschnittene Jog-
ginghose und ein rotes Flanellhemd, dessen rechten Ärmel er hochgekrempelt
hatte. In der Brusttasche steckte eine Packung Camel ohne Filter. Seine Schuhe
waren passabel - altmodische braune Slipper -, wenn man mal davon absah, dass
sie zur Jogginghose nicht so toll und ohne Strümpfe absolut daneben aussahen.
Mrs van der Woodsen war so
makellos gekleidet und elegant wie immer und duftete nach frisch geschnittenen
Lilien und edelster handgemachter französischer Seife. Um jegliche körperliche
Berührung mit Rufus zu vermeiden, verschränkte sie die langen gebräunten Arme
eng vor der Brust und riskierte dabei sogar, ihr mintgrünes Leinenkostüm von
Chanel zu zerknittern.
»Entschuldigen Sie, dass wir
mit Verspätung zur Inquisition erscheinen«, knurrte Rufus mit düsterem Blick
in Jennys Richtung. »Die Veranstaltung hätte ich um nichts in der Welt
verpassen wollen.«
Mrs van der Woodsen ging auf
Mrs M zu, die sich erhoben hatte, und küsste sie flüchtig auf die Wange. Es
war die Sorte von Kuss, mit der reiche Wohltäter die Vorsitzenden der
Organisationen bedenken, denen sie
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