Sag niemals nie
Öffentlichkeit zu weiteren Klagen von Mitschülerinnen oder
deren Eltern führt, werde ich Maßnahmen ergreifen müssen, um den Ruf unserer Schule
zu schützen.«
Es klingelte zur zweiten
Stunde.
»Ich verpasse Latein«, quiekte
Jenny. »Darf ich gehen?«
»Nicht so hastig, kleines
Fräulein!«, bellte ihr Vater und verstärkte seinen Griff um ihre Schulter.
Rufus hatte zwar ein weiches Herz, aber wenn er wütend war, konnte er auch
knallhart sein.
»Schon gut. Sie können beide
gehen.« Mrs M lehnte sich zurück und verschränkte kampflesbenmäßig die Arme vor
der Brust.
Jenny sprang auf und stürmte
aus dem Büro - bevor ihr Vater ihr eine Strafpredigt halten oder Mrs M sie
wegen ihrer nicht sehr schulkonformen Kleidung nach Hause schicken konnte.
»Sie sehen müde aus, Mr
Humphrey«, hörte sie Mrs M noch sagen. »Wussten Sie, dass ich eine Farm in Woodstock
besitze? Wie wäre es, wenn Sie mich dort mal besuchen kämen?«
»Woodstock! Ich liebe
Woodstock!«, rief Rufus aus. »1974 habe ich sogar mal eine Zeit lang dort
gewohnt. Ich hab mit ein paar Dichterkollegen in einem Bus gehaust...«
Jenny hastete die Treppe
hinauf, um nicht zu spät zu Latein zu kommen. Merkwürdigerweise freute sie sich
richtig darüber, um ein Haar von der Schule geflogen zu sein. Dass sie in den
Klatschkolumnen bislang noch als unbekanntes »schamloses« Luder auftauchte, war
ihr egal. Irgendwann würde sie als das Mädchen bekannt werden, das immer mit
den Raves abhing. Alle würden sie fragen, ob sie Damians neue Freundin sei, und
dann wäre sie das It-Girl
der Stadt - genau was sie sich immer gewünscht hatte!
Vietnam
ist überall
»Ein Pyrrhussieg«, warf Mr
Knoeder so zusammenhanglos in den Raum, wie es seine Art war. »Mr Archibald,
hören Sie mir überhaupt zu?«
Nate hatte keine Hausaufgaben
gemacht. Er wusste noch nicht mal, welcher Wochentag war. Er war aufgewacht,
hatte geduscht und war zur Schule gegangen, weil er gehofft hatte, dass ihm
das irgendwie Halt geben würde. Und jetzt wollte sein dämlicher
Geschichtslehrer, dass er irgendeine idiotische Frage zum Vietnamkrieg
beantwortete, der bekanntlich ein einziger, riesiger Super-GAU gewesen war,
wo alles schief gelaufen war, was überhaupt nur schieflaufen konnte.
»Pyrrhus war irgend so eine
griechische Provinz, wo die Römer in irgendeiner Schlacht besiegt wurden, aber
dabei mussten die Griechen schwere Verluste einstecken«, hörte Nate sich selbst
antworten. Kein Wunder, dass Yale und die Brown University sich um mich reißen,
dachte er stolz, ich bin ein verdammtes Genie!
»Genau genommen handelte es
sich um einen König namens Pyrrhus«, korrigierte Mr Knoeder ihn und bohrte mit
dem kleinen Finger im Ohr herum, während er etwas an die Tafel schrieb. Bei den
Jungs aus der St.-Jude-Schule hieß er nur Mr Schwanzlos, weil er seine
knallengen Hosen immer so hochgezurrt trug, dass er unmöglich Genitalien haben
konnte. »Aber ansonsten war Ihre Antwort ziemlich richtig.«
Nate holte sein Handy heraus
und schrieb eine SMS an Jeremy, der vier Plätze weiter in derselben Reihe saß.
wow, danke, schwanzlos !, tippte er.
nachher schon was vor ?, schrieb Jeremy zurück.
hausarrest, antwortete Nate.
sorry das mit b + dem typ , schrieb Jeremy.
Nate beugte sich stirnrunzelnd
vor und warf seinem Freund einen fragenden Blick zu.
typ v. yale party, der mit b rumgemacht hat, simste Jeremy.
Das war also der Typ gewesen,
der in Blairs Hotelbett gelegen hatte. Nate war zu sehr vor den Kopf geschlagen,
um zu reagieren. Da ließ er Blair mal kurz allein, und schon zog sie los, ging
auf Yale-Partys, zu denen sie wahrscheinlich noch nicht mal eingeladen war,
und riss sich dort irgendeinen Stecher auf? Eigentlich müsste er vor Wut kochen.
Stattdessen war er einfach nur total deprimiert. Er war auf der Party
eingeladen gewesen. Er hätte Blair sogar mitnehmen können. Sie hätten über ihre
Zukunft sprechen und danach miteinander schlafen können. Es wäre vielleicht
noch richtig romantisch geworden. Aber wie üblich hatte er mal wieder alles
gründlich verkackt.
Da sieht er s mal - betrügen
ist scheißeinfach, betrogen werden ist einfach scheiße.
Nate entschied, dass es ihm
reichte. Er hob die Hand. »Mr Knoeder, darf ich mal raus? Ich glaub, ich hab
vielleicht eine Lebensmittelvergiftung.«
Wie, was Besseres fällt ihm
nicht ein?
Mr Knoeder hörte ihn nicht. Er
stand gerade mit dem Rücken zur Klasse und malte mit lila Kreide einen detaillierten
Stadtplan
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