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Sag niemals STIRB

Sag niemals STIRB

Titel: Sag niemals STIRB Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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… alles.“
    „Alles“, wiederholte er. Dann blickte er lachend zu den Zweigen hinauf. „Wo soll ich anfangen, zum Teufel?“ Er begann, in einem Kreis zu gehen, sich zwischen den Bäumen wie ein Verirrter zu bewegen. Endlich blieb er neben dem Rumpf stehen. Er betrachtete die zerrissenen Überreste und sagte: „Es ist komisch. Ich habe nie das Bewusstsein verloren. Selbst als ich auf die Bäume prallte, als alles um michherum auseinandergerissen wurde, blieb ich die ganze Zeit bei Besinnung. Ich erinnere mich, dass ich dachte: ‚Wann bekomme ich denn den Himmel zu sehen?‘ Oder die Hölle. Dann ging alles in Flammen auf. Und ich dachte: Da ist meine Antwort, meine Ewigkeit …“
    Er blieb stehen und stieß einen tiefen Seufzer aus.
    „Sie fanden mich ein Stück von hier entfernt, wie ich unter den Bäumen herumtaumelte. Das meiste von meinem Gesicht war weggebrannt. Aber ich erinnere mich nicht, dass ich viel gespürt habe.“ Er blickte auf seine narbigen Hände hinunter. „Der Schmerz kam später. Als sie versuchten, die Verbrennungen zu reinigen. Als die Nerven nachwuchsen. Ich schrie sie an, sie sollten mich sterben lassen, aber sie taten es nicht. Wahrscheinlich war ich zu wertvoll.“
    „Weil du Amerikaner warst?“
    „Weil ich Pilot war. Jemanden, von dem man Informationen bekommen, den man eintauschen konnte. Vielleicht jemand, der daheim die Linie der Partei verbreiten konnte …“
    „Haben sie … dir wehgetan?“
    Er schüttelte den Kopf. „Wahrscheinlich dachten sie, ich hätte genug Schmerzen gelitten. Es war eine stillere Art der Überredung. Endlose Diskussionen.Unermüdliche Streitgespräche, während ich mich erholte. Ich schwor, ich würde mir nicht vom Feind den Kopf verdrehen lassen. Aber ich war schwach. Ich war weit weg von zu Hause. Und sie sagten Dinge … so viele Dinge … ich konnte nicht widersprechen. Und nach einer Weile … nach einer Weile ergab es … nun ja, einen Sinn. Dass dieses Land ihr Haus ist, dass wir die Diebe im Haus sind. Und würde nicht jeder, der Diebe im Haus hat, sich wehren?“
    Er stieß einen Seufzer aus.
    „Ich weiß es nicht mehr. Jetzt klingt es so schwach, aber ich wurde einfach müde. Zu müde, um zu widersprechen. Zu müde, um zu erklären, was ich in ihrem Land tat. Zu müde, um der Himmel weiß was zu verteidigen. Es war einfacher, ihnen einfach zuzustimmen. Und nach einer Weile begann ich tatsächlich zu glauben, was sie mir erzählten.“ Er blickte zu Boden. „Für einige Leute machte mich das zum Verräter.“
    „Für einige Leute. Nicht für mich.“
    Er schwieg.
    „Warum bist du nicht heimgekommen?“, fragte sie.
    „Sieh mich an, Willy. Wer wollte mich so unansehnlich zurückhaben?“
    „Wir wollten dich zurückhaben.“
    „Nein. Nicht den Mann, der ich geworden war.“ Er lachte hohl. „Jeder hätte auf mich gezeigt, hinter meinem Rücken geflüstert, über mein Gesicht geredet. Ist das der Vater, den du wolltest? Der Ehemann, den deine Mutter wollte? Zu Hause erwarten die Leute, dass man eine Nase und Ohren und Augenbrauen hat.“ Er schüttelte den Kopf. „Ann … Ann war so schön. Ich … ich konnte nicht zurück.“
    „Aber was hast du hier? Sieh dich an, was du trägst, wie dünn du bist. Du bist am Verhungern, am elendig Dahinsiechen.“
    „Ich esse, was auch der Rest des Dorfes isst. Es ist genug zum Leben.“ Er zupfte an dem Fetzen, der ihm als Hemd diente. „Kleider … darum habe ich mich nie gekümmert.“
    „Du hast eine Familie aufgegeben!“
    „Ich … ich habe eine andere Familie gefunden, Willy. Hier.“
    Sie starrte ihn benommen an.
    „Ich habe eine Frau. Ihr Name ist Lan. Und wir haben Kinder. Ein kleines Mädchen und zwei Jungen … acht und zehn. Sie können Englisch und ein wenig Französisch …“, sagte er hilflos.
    „Wir waren zu Hause!“
    „Aber ich war hier. Und Lan war hier. Sie rettete mir das Leben, Willy. Sie war diejenige, die mich amLeben erhalten hat während der Infektion, des Fiebers, der endlosen, unerträglichen Schmerzen.“
    „Du hast gesagt, du hättest darum gebeten, sterben zu können.“
    „Lan hat mich wieder dazu gebracht, wieder leben zu wollen.“
    Willy starrte diesen Mann mit dem zerstörten Gesicht an, den Mann, den sie einst ihren Vater genannt hatte. Die wimpernlosen Augen erwiderten unverwandt ihren Blick. Erwarteten das Urteil.
    Ich habe noch ein Gesicht, ein normales Leben, dachte sie. Welches Recht habe ich, ihn zu verdammen?
    Sie blickte weg. „Nun, was

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