Saga von Dray Prescot 15 - Vallian-Zyklus 01 - Geheimnisvolles Scorpio
offene, freie Blick eines Mädchens, das seinen Status kennt und bereit ist, Männer wie Männer zu behandeln, weil es nun mal ihr Pech ist, Männer zu sein. Sie gefiel mir. Über ihrem Herzen schimmerte eine gestickte rote Rose.
»Llahal und Lahal, Prinz Majister«, sagte unsere Besucherin und kam mit energischem Hüftschwung und geschmeidigen Schritten direkt auf mich zu. »Hier, mein Prinz.« Und sie zog einen Brief aus dem kleinen Beutel an ihrer Hüfte.
Der Brief war auf gelbem Papier geschrieben und verströmte einen angenehmen Duft. Die energische, gerundete und doch frauliche Handschrift lag mir sehr am Herzen.
Meine Gefährten traten zurück. Das Mädchen berührte die Rose auf ihrer Brust. »Ich habe auch einen Brief für die Prinzessin Katri. Doch dein Brief, mein Prinz, sollte als erster abgegeben werden.« Sie lachte hell. »Und der Brief an den Herrscher ist der letzte der drei.«
Angesteckt von ihrer Fröhlichkeit, lachte ich ebenfalls.
»Ich kann nicht warten, eine Antwort wird auch nicht verlangt.« Sie wandte sich zum Gehen, und in der engen Hose sahen ihre Beine sehr lang und attraktiv aus. »Aber es gibt da eine Lüge, an die ich nicht mehr glauben werde.«
Der Brief brannte in meiner Hand, als ich fragte: »Willst du dich nicht wenigstens ein wenig erfrischen? Und – was ist das für eine Lüge?«
Sie blieb an der Tür stehen und erwiderte mein Lächeln. »Ich danke dir, mein Prinz. Aber ich muß mich beeilen. Was die Lüge betrifft, so behaupten alle Frauen, der Prinz Majister von Vallia lache niemals.«
Schwungvoll und lachend verließ sie die Arena. Sie war eine Frau wie meine Delia, eine Frau durch und durch.
Ich verbannte sie aus meinen Gedanken und öffnete den Brief.
Ich kenne die Worte auswendig, doch viele betreffen private Dinge. Ich will mich mit der Bemerkung begnügen, daß es Delia gut ging, daß Melow mich grüßen ließ, daß Delias Vorhaben schwieriger war als erwartet und sie vermutlich länger fortbleiben müsse als ursprünglich angenommen. Sie fügte hinzu, daß sie in dem Brief an Tante Katri die Schwester des Herrschers bitte, nach Valka zu fahren und sich um Didi zu kümmern, und daß sie alle Briefe Jikmer Sosie ti Drakanium anvertrauen würde.
Das Wort Jikmer war durchgestrichen worden, doch ich konnte es trotzdem noch lesen. Hm. Jikmer – das entsprach bei den Schwestern der Rose sicher einem Jiktar.
Ich hatte keinen Zweifel mehr, daß es eine mächtige Geheimorganisation von Frauen gab, die, wenn mich mein Wissen um Delia nicht täuschte, humanitäre Ziele verfolgte. Welches Motiv ihnen zugrunde lag, konnte ich natürlich nicht wissen.
Dieser Brief, der auf eine gut organisierte Gruppe von Frauen hinwies, die Ziele verfolgte, die mir sympathisch waren, war vermutlich der Anlaß, der mich einen Plan in die Tat umsetzen ließ, der seit einiger Zeit in mir herangereift war. Ich werde Sie schrittweise darüber informieren. Zunächst mußte ich warten, bis Seg und Inch bei mir waren; vorher konnte ich nichts unternehmen.
Außerdem muß ich klarstellen, daß ich mich hier sehr auf die Chyyanisten konzentriere. Es geschah in Vondium in dieser Zeit sehr viel. Ich war beileibe kein Faulenzer, sondern mußte schwer arbeiten. Als Prinz Majister hatte ich während der Abwesenheit des Herrschers viele offizielle Aufgaben zu erfüllen. Die meisten Auftritte reizten mich insgeheim zum Lachen. So saß ich eine Zeitlang zu Gericht und verkündete Urteile. Außerdem ließ ich die Arbeiten an einem neuen Sklavengehege abbrechen, nicht ohne den Sklavenherren meine Verachtung zu bekunden, und wies die Arbeiter und Fachleute an, ein Gebäude nach meinen Plänen zu errichten. Sie hatten keine Ahnung, wofür das Bauwerk bestimmt war. Ein Besuch an einem Ort, wo es Sattelvögel gab, hätte schnelle Aufklärung gebracht. Es waren Unterkünfte für tausend Flugtiere. Eines Tages, so sagte ich mir, eines baldigen Tages würde Vallia diese Vögel brauchen.
Mein Leben bestand also nicht nur darin, mich zu verkleiden und als Nath die Mücke unauffällig durch die Tavernen zu ziehen. Oft wurde ich dabei von diesem oder jenem guten Freund begleitet, allerdings nur aus der Entfernung. Meine Tarnung würde sich nicht lange halten, wenn ich plötzlich mit Freunden auftauchte. So saß denn Turko in einer Ecke derselben Taverne wie ich und behielt mich im Auge. Wir alle lachten über Rafiks zweiten mutigen Rettungsversuch.
Es war eine seltsame Zeit. Ich war in Vondium, in der Hauptstadt
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