Saga von Dray Prescot 16 - Vallian-Zyklus 02 - Wildes Scorpio
Königin Lust geworden ist? Ich hätte erwartet, daß sie schluchzend hier am Bett sitzt.«
»Sie mußte nach Lome zurückkehren. Irgendeine dringende Staatsangelegenheit. Der Herrscher hat sie noch selbst verabschiedet – Thelda sagt, da wäre er noch bei bester Gesundheit gewesen.«
»Die Frau haben wir bestimmt nicht zum letztenmal gesehen. Sie hatte es auf den Herrscher abgesehen. Die schlimme Nachricht wird sie sofort zur Umkehr bewegen.«
»Aye. Es ist schlimm, Dray.«
»Ja. Wie steht es in Falinur?«
Er wußte, was ich mit meiner Frage meinte. Sein scherzhaft verzogenes Gesicht wurde ernst. »Ich habe dort hart gearbeitet und versucht, aus dem Kovnat die Art Paradies zu machen, wie du es in Valka geschaffen hast. Aber was ich auch tue, immer sind irgendwelche Cramphs dagegen. Ihre Bosheit ist nicht auszumerzen. Ich würde keinen Pfeil auf ihre Treue wetten.«
Ich überging diese schlechte, wenn auch nicht überraschende Äußerung. »Und Inch? Ich hoffe doch, daß die Schwarzen Berge zu uns stehen.«
»Die Jungs aus den Schwarzen Bergen haben ihren uralten Streit mit den Menschen der Schwarzen Berge begraben. Das liegt mehr an Inch als an Korf Aighos – dem würde ich auch nicht vertrauen –, doch er ist Delia treu ergeben. Die beiden haben die Berge und die Zorca-Ebene gemeinsam zu einer Art Festung ausgebaut.«
»Es gibt noch andere Edelleute, die sich im Ernstfall der Verantwortung nicht entziehen. Was Delphond angeht ...« Ich seufzte. Ich bezweifelte damals, ob Delias hübsche kleine Provinz, eine charmante, faule, zufriedene Gegend, nachdem die Chyyanisten fort waren, auch nur eine einzige Pastang mit richtigen Kämpfern auf die Beine stellen konnte. Seit meinem letzten Besuch hatte es in Delphond Veränderungen gegeben, wie Sie wissen; doch die alte sorglose Art hatte sich gehalten – daran wollte ich auch nichts ändern.
»Lord Farris wird Vomansoir mobilisieren.«
»Ja. Und wenn es um das Windruder des Fluttrells geht, können wir schnell vorstoßen und dafür sorgen.« Ich hielt inne. Delia, Thelda und Katrin näherten sich uns, und das leise Gespräch wandte sich anderen Themen zu. Ich blickte zu dem Arzt hinüber. Nath die Nadel machte ein ernstes Gesicht. Er blickte dem Herrscher in den Mund, zog ihm die unteren Lider hinab, betastete und drückte ihn, wobei er leise vor sich hin schnalzte. Dr. Charboi hatte keine Akupunkturnadeln eingesetzt, und Nath hatte seinen Sturmholzkasten auch noch nicht geöffnet, und so ging ich davon aus, daß der Kranke zumindest keine Schmerzen litt.
Mit einem Stück Verss, feinstem schneeweißem Leinen, wischte Nath dem Herrscher den Mund ab. Er faltete das Tuch vorsichtig zusammen und steckte es in seinen Lederbeutel.
Dann hob Nath den Kopf und begegnete meinem Blick. Er nickte und deutete damit an, daß er zum Gehen bereit war, was mich doch überraschte. In diesem Augenblick flog die Tür auf und knallte gegen die Wand. Eine Gruppe höchst erzürnter Männer und Frauen rauschte herein.
Ich starrte sie an, blickte in ihre zornroten Gesichter und auf die gestikulierenden ringbeladenen Hände, auf ihre vornehme Kleidung, auf die Edelsteine und Spitzen, auf all das Gehabe von Reichtum und Autorität und Befehlsgewohnheit, und ich war angewidert. Dieser üble, gedankenlose Anspruch an alle Menschen ringsum, die ihrem Kommando unterstanden – ihn hatte ich auf der Erde wie auf Kregen oft erlebt und hatte daran verzweifelt oder mich dagegen aufgelehnt; dabei halte ich es für eine Sünde, unnütz Gewalt anzuwenden. Doch in jenem Krankenzimmer des Palasts, in dem ein Herrscher im Sterben lag, ekelte mich diese Anmaßung besonders an. Ich bin sonst ein friedlicher Mensch, der auch ein ruhiges Leben zu schätzen weiß, ein Mann, der zu seiner Schande aber oft gezwungen war, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen. Alle guten Vorsätze drohten nun wieder einmal ins Wanken zu geraten.
Sie werden diese Leute im Laufe meiner Geschichte noch kennenlernen. Zunächst möchte ich Ihnen nur drei vorstellen.
Der erste war Dr. Charboi. Hier auf der Erde wäre er wahrscheinlich adrett gekleidet und mit vornehmem Silberhaar aufgetreten, wie die meisten dieser Haie von Starärzten. Er hätte die höchsten Honorare eingestrichen von den Vornehmsten der Gesellschaft und andere die schmutzige Arbeit machen lassen. Auf Kregen, wo ein Mensch normalerweise erst nach seinem zweihundertsten Geburtstag grau wird, besaß Charboi die rote Haarmähne des Lohiers, und er zeigte die
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