Saga von Dray Prescot 21 - Jikaida-Zyklus 03 - Ein Schicksal für Kregen
öffneten sich vor uns mit dem dumpfen Geruch des Todes.
Etliche staubige Vorzimmer, die wir mit äußerster Vorsicht durchschritten, führten uns schließlich in eine makabre Kammer von ziemlicher Größe.
Diese breite, hohe Halle war in gelbes Licht gehüllt. Quienyins Gesichtszüge belebten sich. Wir hatten schon allerlei Schlimmes überstanden, und obwohl uns auch hier Übles drohte, hatten wir doch das Gefühl, ein wichtiges Ziel erreicht zu haben.
»Ah!« rief er erfreut. »Wir müssen uns im Saal vor dem Ort befinden, den San Orien das Herz und den Charakter des Moders nannte.«
Die Decke wölbte sich an einigen Stellen tief herab, verziert mit grotesken, widerlichen Schnitzereien. Fledermäuse kreisten dort oben und linsten mit roten Augen zu uns herab. Ein schwacher Weihrauchgeruch hing in der Luft und machte sich glatt und unangenehm auf der Zunge bemerkbar. Geräusche hallten wider.
Die Öffnung, durch die wir eingetreten waren, schloß sich nicht hinter uns. Am gegenüberliegenden Ende des Saals stieg die Mauer in Form zahlreicher Steinvorsprünge auf. In jeder Seitenwand führten Öffnungen, die beinahe bis zur Decke reichten, in kurze Durchgänge. Jede Wand war von zahlreichen Schlitzen durchzogen. Sie ragten hier und dort in den Saal und bildeten seltsam geformte Gänge. Über dem Haupttor war eine Inschrift tief in den Marmor gehauen und golden bemalt:
DER SAAL DER PHANTOME
»San Orien wußte von Neun Sälen, die das Mausoleum umgeben«, erklärte Quienyin. Er spähte aufgeregt und gespannt in alle Richtungen; plötzlich schien er mir um Jahre verjüngt zu sein. »Dies ist der Saal der Phantome. Wir befinden uns in einem sinnverwirrenden Komplex aus Sälen und Gängen. Das Ganze bildet ein einziges riesiges Mausoleum.«
Überall lagen Tote.
Die Wände waren von den Toten durchsetzt.
Mumifiziert, als lebten sie noch, bloße Haufen aus staubigem Gewebe, Skelette, Anhäufungen vertrockneter Korruption, so lagen die Leichen stumm auf ihren Steinvorsprüngen. Entspannt, im ewigen Schlaf gefangen, reihten sich die Toten Stufe um Stufe, Nische um Nische, Grab um Grab.
Auf allen Seiten nur Leichen.
Aber – waren sie wirklich tot?
16
Unbehaglich schauten wir uns um. Lady Ariane erklärte tonlos, sie könne nicht mehr, und wir schlugen in einer Ecke, wo zwei Wände nicht ganz rechteckig aufeinandertrafen und die Krypten noch leer waren, unser Lager auf. Zunächst mußten wir kalt speisen, bis einige wagemutige Chuliks mit zerschlagenen Särgen ankamen. Ihr Material brannte mit unheimlichem blauen Schein, doch war das Feuer stark genug, um darauf ein Mahl zu erwärmen und kregischen Tee zu kochen.
In diesem Augenblick trat ein Phantom Gegenseitiger Abscheu ein.
Die Erscheinung sah aus wie ein junger gutgebauter Mann, nackt, mit langem Haar und glatter Haut. Er lächelte uns freundlich an.
»Laßt ihn in Frieden!« rief der Zauberer aus Loh.
Einer der Chulik-Söldner – diesmal kein Hyr-Paktun – vermochte nicht zu widerstehen. Er grunzte voller Verachtung und Abscheu und hieb mit dem Thraxter nach dem lächelnden Jüngling. Wer hier unten kein bekannter Freund war, konnte nur ein Ungeheuer sein.
Das Schwert traf den Jüngling an der Flanke. Sein verrücktes breites Lächeln veränderte sich nicht.
Der Chulik stieß einen Schmerzensschrei aus und prallte ruckhaft zurück.
»Jak!« rief Quienyin. »Stell dich dem Jüngling und versetz dir selbst einen Hieb!«
Einen Herzschlag lang begriff ich nicht, was er meinte – dann erkannte ich die Wahrheit. Ich zerrte hastig meinen Drexer und versetzte mir einen heftigen Schlag auf den Kopf. Ich spürte nichts. Dafür aber verlor das Phantom der Gegenseitigen Abscheu sein Lächeln. Es torkelte rückwärts, und purpurnes Blut quoll aus einer tiefen Kopfwunde. Mit einem verzweifelten Jammerschrei lief die Erscheinung davon und verspritzte Blut, dessen Tropfen zu qualmen begannen, sobald sie den Boden berührten.
»Bei Huvon!« flüsterte Ariane.
»Ein Teufelstrick!« rief Loriman.
»Man muß dir gratulieren, Notor Jak«, sagte Tyfar.
Ich steckte das unbefleckte Schwert wieder ein. »Eher solltest du Quienyin danken, Prinz. Er durchschaute den Teufelstrick.«
Der Chulik-Paktun trat vor. Sein Kax wies eine tiefe Delle auf, eine Folge seines Schlags gegen das Phantom der Gegenseitigen Abscheu.
»Beim Verräterischen Likshu!« keuchte er. »Ich habe nur so kräftig zugeschlagen, wie es für einen Gegner ohne Rüstung erforderlich
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