Saga von Dray Prescot 22 - Jikaida-Zyklus 04 - Ein Sieg für Kregen
hinüberhuschten, wandte sich die Frau Barkindrar zu. Der Brokelsh litt offensichtlich Schmerzen, weigerte sich aber auf die mürrische, störrische Art der Brokelsh, davon Kenntnis zu nehmen. Die Frau legte Barkindrar die Hand auf die Stirn.
Es war eine wohlgeformte, feste Hand, offensichtlich die Hand einer Frau, aber auch eine Hand, von der ich wußte, daß sie Kriegertaten vollbringen konnte. Einen verräterischen Augenblick lang verlor das Gesicht seinen sachlichen, harten Ausdruck und verriet das Mitgefühl, das sie bewegte. Dann fuhr sie wieder zu uns herum und herrschte uns an.
»Sie lassen sich Zeit. Sie werden uns hinter der Bäckerei nicht sehen.«
Sie war mit Rapier und Main-Gauche bewaffnet. Den Bogen schob sie sich auf die Schulter und damit aus dem Weg. Das etwas zu kurz geschnittene braune Haar schimmerte im Licht der Sonnen.
Ich schaute zu dem vorspringenden Stalldach hinüber, als wir ins Freie traten. Wenn sich ein neugieriger Söldner zu weit in den Hof hinausbewegte, mußte er uns sehen. Sobald die Kerle in das Gebäude eingebrochen waren, würden sie wie eine Horde Werstings die Treppe hinauftoben.
Die Bäckerei hatte nur ein Stockwerk. Wir würden keine Mühe haben, nach unten zu klettern. Vermutlich war es nicht erforderlich, eine Nachhut aufzustellen, und Nod der Strohhalm, der auf dem Dach stand, hätte uns längst gewarnt, wenn sich ein Söldner zu weit vorgewagt hätte.
Nod der Strohhalm, ein schmächtiger kleiner Bursche, der im Stall arbeitete, erwartete uns auf dem Dach. Seine vorstehenden Augen, sein geschürzter Mund zeigten keine Überraschung darüber, daß nun plötzlich zwei Leute mehr aus dem Schutz der Scheune hervorkamen. Sein Zorn galt einem anderen Umstand, und immer wieder schwenkte er eine abgeschliffene Mistgabel.
»Ich weiß, wer es war!« tobte er. »Dieser schlappohrige, nichtsnutzige Sorgan! Er muß uns verraten haben – dabei holt er sich bei denen eher ein Dutzend Striemen als ebenso viele Silber-Sinvers!«
»Ist doch im Moment unwichtig, wer uns verraten hat, Nod!« sagte die Frau. »Hilf Barkindrar von deinem Dach herunter!«
Tyfar sagte: »Ihr steigt alle hinunter. Ich halte das Dach, bis ...«
Die Frau warf ihm einen Blick zu, der mir sehr unangenehm gewesen wäre. Allerdings kenne ich mich damit aus – wie oft hat man mir mit solchen Blicken zu verstehen gegeben, was für ein Dummkopf ich bin.
»Laß schon, Nod«, sagte Kaldu. »Ich nehme Barkindrar auf den Rücken.«
»Du Dermiflon!« spottete Nod der Strohhalm, gab es aber auf, dem Brokelsh helfen zu wollen. Kaldu schob sich Barkindrar auf den Rücken und trug ihn eilig das Dach der Bäckerei hinunter. Nath der Pfeil folgte mit Nod dem Strohhalm.
»Worauf wartest du noch?« fragte Tyfar und zog sein Schwert. »Ich kann sie lange genug zurückhalten, daß ...«
»Du scheinst dich für eine Art Jikai zu halten«, sagte die Frau herablassend, wie es ihre Art war.
Tyfars Wangen röteten sich. »Ich glaube zu wissen, wohin mich die Ehre stellt, und ...«
»Ehre!« Sie begann zu lachen, und trotz des Dröhnens von unten und der Gefahr, in der wir schwebten, erhob sich dieses Lachen frei und unbeschwert in den Himmel.
»Geh nur, Tyfar«, sagte ich. »Es ist noch Zeit, sich in den Schatten der Bäckerei zu flüchten.«
»Ich werde nicht vor dieser – Dame gehen.«
»Dann«, sagte ich, »werde ich jetzt selbst verschwinden und es euch beiden überlassen, die Frage zu klären.« Und wenn meine Reaktion Sie überrascht, dann haben Sie den alten Dray Prescot noch immer nicht verstanden.
Und ich machte meine Worte wahr: Ich sprang auf das benachbarte Dach und huschte wie ein Krebs die Schräge hinab und hangelte mich hinter den anderen her an einer bröckligen Wand hinunter in eine Seitengasse. Ich hatte keine Gewissensbisse. Tyfars Ehre würde ihn veranlassen, keine Zeit mehr zu verschwenden und mir sofort zu folgen. Wenn die Frau als letzte kommen wollte, um wohl einem eigenen obskuren Ehrenkodex oder Schwur zu folgen, dann konnte jedes weitere Streitgespräch die Sache nur noch verzögern.
Als meine Füße die Gasse berührten, war Tyfar schon wieder dicht hinter mir.
»Diese Frau! Unerträglich! Ein Schädel wie ein Vosk! Stur wie ein Graint!«
»Aber charmant, das mußt du zugeben.«
»Ja, ja, natürlich. Sie ist mir natürlich sofort aufgefallen. Allerdings würde ich sie nicht charmant nennen – das wäre eher das letzte Wort, das mir einfiele. Attraktiv, betörend, wunderschön – ja,
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