Saga von Dray Prescot 23 - Spikatur-Zyklus 01 - Die Bestien von Antares
einen bedrückenden, finsteren Schatten. Die kleineren Höfe sperrten die letzten Strahlen Zims und Genodras' aus, die in Havilfar Far und Havil genannt werden. Der Aufprall von Stahlklingen, das schnelle Stampfen und Scharren von Füßen, das heisere, japsende Einatmen, all diese Laute, die das Herz schneller schlagen lassen, stärkten an diesem Abend nur meine Depression. Das Jikhorkdun war eine riesige Anlage. Ein Labyrinth.
Das Gewirr der Korridore und Räume mochte nicht ganz so gefährlich sein wie das Labyrinth im Innern des Moders, in dem wir uns gegen Monster und magische Kräfte durchgesetzt hatten; doch lauerte hier eine ganz andere Gefahr. Es blieb mir wohl doch nichts anderes übrig, als ganz offen nach Naghan der Mücke zu fragen. Das schien mir aber ein Risiko zu bergen. Vielleicht arbeitete er unter anderem Namen. Fremde, die sich nach einer bestimmten Person erkundigten, wurden bestimmt besonders genau unter die Lupe genommen. Aber wie sollte ich Naghan sonst finden?
Deb-Lu-Quienyin hatte mir versichert, daß meine Freunde zwar in Jikhorkdun tätig waren, aber nichts mit der Arena zu tun hatten. Tilly, die wunderhübsche goldhaarige Fristle-Fifi, mochte sich irgendwo in den endlosen Baracken befinden. Oby, der auch kein junger Hüpfer mehr war und sich jetzt vielleicht lieber mit vollem Namen – Obfaril – anreden ließ, hatte alle Bemühungen aufgegeben, Kaidur zu werden. In Valka hatte er seine Vorliebe für Flugboote entdeckt. Er war Fachmann für Voller. Ich hoffte, daß ihm hier die Chance geboten worden war, seine Jugendsehnsucht zu erfüllen.
Was Balass den Falken anging, dieser tüchtige Mann war bestimmt in seine Heimat Xuntal zurückversetzt worden. Ich erwartete nicht, Balass hier anzutreffen.
Die Promenaden waren gefüllt mit Leuten, die sich die Kaidurs aus der Nähe anschauen wollten. Manche Anhänger der Spiele waren selbst nach einem vollen Programm in der Arena noch nicht zufrieden. Wie lange es auch her war – die Eindrücke aus der Arena, die ich gewonnen hatte, die Emotionen, die Leidenschaften, die ich dort durchlebt hatte, würden niemals verblassen. Ich hatte dies alles durchgemacht. Ich glaubte mich auszukennen.
Bewunderer überschütteten siegreiche Kaidurs mit Geschenken. Wetten wurden arrangiert, die Einsätze waren hoch. Trainer führten ihre neuen Männer vor; die Finanziers schauten zu und flüsterten sich hinter vorgehaltenen Händen etwas zu. Es war natürlich ein Menschenmarkt, aber geschah es auch, daß junge Edelleute das Schwert gegen berühmte Kaidurs erhoben. Der Stahl sang und scharrte. Ich wußte, kein Kaidur würde gegen solche jungen Heißsporne seine ganze Kunst aufbieten. Trotzdem konnte bei diesen flotten kleinen Kämpfen so mancher schmerzhafte Schlag ausgeteilt und empfangen werden.
Im Jikhorkdun gibt es die Ecken für die vier Farben, außerdem eine Zone, die für die Kaidurs der Königin reserviert ist. Natürlich ging ich zuerst zu den Roten. Und ebenso selbstverständlich suchte ich zuerst die Waffenschmiede auf und erkundigte mich dort. Nachdem ich fünfmal erfolglos gewesen war, verzichtete ich darauf, von Naghan als dem besten Waffenschmied zu sprechen, den man sich wünschen konnte. Es stimmte ohnehin. Ich habe früher andere Waffenschmiede erwähnt, die mit mir zusammenarbeiteten und meine Gefährten waren, und darunter gab es viele hervorragende Leute – besonders in Valka. Naghan die Mücke gehörte zu den besten. Meine Fragen lösten allerdings nur Stirnrunzeln und Kopfschütteln aus.
Von nun an nannte ich den Mann mit dem großen Herzen nur noch Naghan die Mücke und bezeichnete ihn als Waffenschmied. Ohne Prädikat.
Und noch immer fand ich keine Spur, nicht einmal eine Erinnerung. Nun ja, das Unterfangen war im Grunde auch ziemlich töricht, denn es liegt in der Natur aller Kaidurs, keine Freunde zu haben. Dazu sterben sie zu schnell, und irgendwann findet man auch selbst einen Platz in dieser elenden Prozession.
Schon wollte ich die Roten verlassen und mein Glück bei den Blauen versuchen, da erblickte ich Cleitar Adria im Gespräch mit einem dickbäuchigen Mann, der mit allerlei schweren Goldketten behängt war. Ich blieb stehen und versuchte mir den Mann unauffällig anzuschauen.
Bei Kaidun! Ich hatte mich nicht getäuscht! Es war wirklich Cleitar.
Wir waren zusammen als Sklaven in Gefangenschaft geraten und hatten die Chance erhalten, in der Arena zu kämpfen – und hatten überlebt. Cleitar hatte eine erfolgreiche
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