Saga von Dray Prescot 28 - Pandahem-Zyklus 02 - Delia von Vallia
Jemand zufällig die Herrscherin war - nun ja, war das nicht einer der Gründe, warum sie sich Herrscherin nennen konnte?
»Aber, Herrscherin - deine armen Hände!«
»Mach dir wegen meiner Hände keine Sorgen, Stromni. Sie sind harte Arbeit gewöhnt.«
Stromni Elspa schüttelte den Kopf, was ihre weichen braunen vallianischen Haare ein wenig aus der Fasson brachte. Sie begriff nichts von der Majestät und Macht einer Herrscherin unter solchen äußeren Bedingungen. Bei Opaz! Wäre sie, Stromni Elspa nal Mellin, Herrscherin gewesen, hätte sie den Dienstboten aufgetragen, die unsägliche Arbeit zu tun, während sie sich schleunigst auf das Land zurückgezogen hätte. Hätte ihr Mann ein bißchen mehr moralische Härte besessen, hätten sie durch die infizierten Straßen galoppieren und längst in Sicherheit sein können. Sie wären nicht von dieser gebieterischen Frau erwischt und gezwungen worden, wie gewöhnliche Dienstboten zu schuften. Daß Stromni Elspa diese unwürdigen Zustände duldete, hatte nur einen Grund: den tröstlichen Gedanken, daß sie dadurch bei der Herrscherin bestimmt Pluspunkte sammelte.
Ganze Wagenladungen kleiner blauer Blumen wurden durch die offenen Tore in die Stadt gebracht. Diese Blumen waren an Feldrainen und Wegrändern gepflückt worden, wo sie im Überfluß gediehen, beinahe wie ein Unkraut. Dalki war mit den Wagen losgezogen und begleitete sie auch wieder in die Stadt. Niemand war geflohen.
Von den kleinen blauen Blumen gab es zwei Sorten. Die eine Art wies an jedem Blütenblatt ein winziges Silberherz auf: die Vilmy-Blume. Die andere Sorte wurde Falimy-Blume genannt.
Aus der Vilmy-Blume wurde eine Salbe gefertigt, die eine heilende Wirkung entfaltete und Schmerzen linderte.
Aus der Falimy-Blume gewann man eine Salbe, die normalerweise zur Reinigung von Zisternen verwendet wurde. Nun schützte und reinigte sie alles, was mit der Krankheit in Berührung kam. Delia schaute sich nicht jedes Blütenblatt persönlich an. Sollte mal eine Wundsalbe auf den Boden geraten, konnte nicht viel geschehen. Wurde allerdings Reinigungspaste in eine Wunde gerieben - nein, das durfte nicht geschehen! Delia gab genaue, sehr genaue Anweisungen.
Stromni Elspa reagierte verwirrt.
»Aber Majestrix! Ich meine - wer hätte sich denn schon mal mit Falimy-Paste eingerieben? Das wäre ja… also, das wäre…«
»Es würde die Brust sehr gründlich reinigen.«
»Majestrix?«
Delia wandte sich von der verwirrten Elspa ab und kümmerte sich um die nächste Reihe von Patienten. Wenn die Wunden gesäubert werden konnten, wenn man den Patienten kühl lagern konnte, gab es vielleicht eine Hoffnung auf Gesundung. Es wurde viel Parclear getrunken, ein Sherbert-Getränk. Drei Tage schrecklicher Leiden - in dieser Zeit brachen überall am Körper eiternde Wunden aus, gefolgt von dreitägigen Kämpfen gegen diese Wunden und um die Kühlung des Patienten, und dann, wenn die Götter lächelten, war vielleicht das Schlimmste vorüber, die Krise ausgestanden.
Delia brachte keinen klaren Gedanken mehr zustande. Sie konnte nur arbeiten, arbeiten. Sie nahm den schrecklichen Pestausbruch ganz persönlich. Jeder Augenblick war ihr zuwider, ständig mußte sie Ekel und Brechreiz niederkämpfen, aber sie zwang sich dazu, die Kranken zu pflegen.
Tandu brachte sie dazu, sich auszuruhen. Dabei ging er mit einem für einen Dwadjang erstaunlichen Takt und Verständnis vor, so daß Delias Willen erlahmte. Ihr war natürlich klar, daß Tandu sich für die Folgen verantwortlich fühlen würde, sollte sie ihren überlasteten Körper nicht irgendwie schonen. Überdies kannte sie ihre Djangs und wußte, es war nicht ausgeschlossen, daß sie irgendwann, um die Königin von Djanduin zu retten, zu Gewaltmitteln greifen würden.
Für manche Leute, auch für Djangs, waren solche Gedankengänge ganz logisch.
Die Toten wurden verbrannt.
Mit verdeckten Gesichtern und Handschuhen schleppte man die Toten ins Freie und stapelte sie auf. Der Gestank war eigentlich nicht mehr zu ertragen, aber solange Delia, die Herrscherin von Vallia, ein so aufrechtes und leuchtendes Beispiel gab und hier einen bleichen Arm packte, um tragen zu helfen, und dort ein Bein stützte, um den Toten sanft auf den Scheiterhaufen zu legen, konnte niemand zurückstehen. Der Strom und die Stromni kämpften gegen den Brechreiz an, erfüllten aber ihre Rolle. Die Leichen, teilweise bereits angeschwollen und mit hervorquellenden Zungen, fielen schlaff zusammen, einige
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