Saga von Dray Prescot 28 - Pandahem-Zyklus 02 - Delia von Vallia
aus der kritischen Phase heraus. Ab sofort starb niemand mehr, der gerettet werden konnte. Überdies wurden keine neuen Fälle mehr gemeldet - und das war viel bedeutsamer. Die vielen Männer und Frauen, die noch gegen die Krankheit kämpften und die Kranken pflegten, wurden nicht mehr selbst angesteckt.
An diesem Abend setzte sich Delia in den Schein einer Samphronöllampe und verfaßte den notwendigen Brief.
Der Text war kurz, erwähnte das Erforderliche, äußerte Bedauern darüber, daß sie die Hochzeit ihres Halbbruders Vomanus hatte versäumen müssen. Früh am nächsten Morgen schickte sie diesen Brief mit dem Eis - Flugboot los; der Pilot hatte das strikte Kommando, direkt nach Delka Ob zu fliegen und um Audienz beim Kov nachzusuchen. Ihr Siegel, das sie auf den Verschlußbändern des Briefes angebracht hatte, mußte als Legitimation für den schlicht gekleideten Eistransporter genügen.
Noch konnte sie die Stadt nicht verlassen, dazu gab es zu viele Kranke zu versorgen. Zwei Tage später traf ein Voller ein. Ein ledergekleidetes Mädchen stieg aus; an ihrer Hüfte schwang ein Rapier, ihr Gesicht war angenehm gerötet, ihr Ausdruck hellwach und aufmerksam. Sie schritt mit hocherhobenem Kopf in die Stadt.
»Majestrix!« sagte sie, trat geschmeidigen Schrittes vor und fügte leiser hinzu: »Möge Dee-Sheon dich beschützen.«
»Yzobel!« rief Delia.
»Dies ist ja ein schlimmer Ort! Du bist nicht in Gefahr?«
»Absolut nicht. Es freut mich, dich zu sehen.«
Yzobel trug ein weißes Lederwams. Ihr Körper entsprach der Schönheit des Gesichts. Gleichwohl wirkten Rapier und Main-Gauche, die an silbernen Verschlüssen baumelten, nützlich und abgegriffen. Dieses Mädchen konnte nicht nur Kranke pflegen, sondern sich auch im Kampf behaupten. Darin war sie nicht allein.
Delia nahm Yzobels Ankunft ohne Erstaunen auf. Sie führte das Mädchen in den Schatten und freute sich auf ein Glas Parclear, einen Teller Miscils und Palines und ein längeres Gespräch. Sobald das Eis-Flugboot Delka Ob erreichte, war das Verschwinden der Herrscherin aufgeklärt, und da war es kein Wunder, daß sich zumindest eine Schwester auf den Weg zu ihr gemacht hatte.
»Ich bin vorausgeflogen«, sagte Yzobel. »Die anderen müssen auch bald hier sein. Sie sammeln noch Medikamente. Ich habe allerdings eine Nachricht für dich, Majestrix.«
»Ach?«
»Die Herrin möchte dich sprechen. Du wirst nach Lancival gerufen. Wir sollten sofort aufbrechen.«
»Selbstverständlich«, sagte Delia, Herrscherin von Vallia, Schwester der Rose. »Ich bin bereit. Brechen wir auf.«
5
»Bei der Rückkehr nach Lancival fühlt man sich, als kehre man in die Arme der Mutter zurück.« Diese Worte hatte eine Schwester gesprochen, die schon lange nicht mehr lebte, Worte, die Delia trotz ihrer Sentimentalität für richtig hielt. Andere Schwestern hatten sich ähnlich geäußert.
Lancival - die Stadt der roten Dächer und efeubewachsenen Mauern, das Lancival der Ruhe und des Friedens und Gesangs, der anstrengenden Übungskämpfe, bei denen die Mädchen sich schweratmend mit Schwertern bearbeiteten, das Lancival der geheimen Disziplinen, die nur Frauen bekannt waren. Das Lancival der Peitsche und der Klaue.
Nicht weil sie Herrscherin von Vallia war, sondern weil sie in den SdR eine hohe Stellung bekleidete, besaß Delia in einem der Studentengebäude ein eigenes Zimmer. Mehr eine Zelle mit einem schmalen Bett, einigen Bücherregalen, einer schlichten unbemalten Kommode, darauf Bürsten und Kämme. Ein Schrank enthielt verschiedene Gewänder, wie sie im Orden vorgeschrieben waren, spartanische Unterwäsche, Sandalen und Kampfstiefel, einen Umhang und einen weichen schwarzen Lederhut mit schwarzem Band. Das Bettzeug war schlicht gelb, ebenso das Handtuch am Waschständer. Der Spiegel über dem Ankleidetisch war nicht groß genug, um ihr das ganze Gesicht zu zeigen. Delia war es längst gewöhnt, den stolzen Kopf hin und her zu wenden wie ein ungeschicktes junges Mädchen, um alles zu sehen, was sie sehen wollte.
Der Raum im dritten Stockwerk war Teil einer Zellenflucht beidseits eines Korridors; sämtliche Unterkünfte sahen gleich aus. In Delias Zimmer hatte früher eine inzwischen verstorbene SdR gelebt, die als Velda die Stürmische bekannt gewesen war. Über sie wurden Geschichten erzählt, die einen ganz normalen Charakter erkennen ließen, sogar eine liebenswerte Person. Wenn sie aber auf eine Ungerechtigkeit stieß, konnte sich Velda nicht
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