Saga von Dray Prescot 28 - Pandahem-Zyklus 02 - Delia von Vallia
nicht.
»Gibt es weitere Nachrichten?«
»Nur daß die Herrscherin noch immer nicht wieder in Vondium ist. Lord Farris herrscht als Crebent Justitiar, und Prinz Majister Drak treibt sich irgendwo im westlichen Landesteil herum und kämpft gegen Rebellen. Die Armee ist aufgespalten zwischen Hamal und den verschiedenen Fronten in Vallia. Wenn die verflixte Herrscherin nur endlich käme!«
»Und seit sie Mellinsmot verließ, gibt es keine Nachricht von ihr?«
»Keine.« Nyleen warf Sissy eine Paline zu. Sie lachte nicht, als die Frucht nicht den Mund der Sklavin traf, sondern einen Wersting, der sich fauchend herumdrehte und abgestumpfte Zähne bleckte. »Kein Wort. Ich glaube, sie besucht ihre Freundinnen bei den SdR. Es wird gemunkelt, die niederträchtige Herrin des Ordens sei krank. Ich hoffe, das stimmt. Aber - wo steckt die Herrscherin jetzt?«
»In Lancival?«
»Ich rechne in Kürze mit Nachrichten von dort.«
Bei diesen Worten griff Delia daneben und spielte einen falschen Ton. Die Saite schrillte ärgerlich und mußte zum Schweigen gebracht werden. Sie spielte weiter, ohne den Blick zu heben. Offenbar wurde ihr der falsche Ton als Folge der erlittenen Züchtigung verziehen.
Sollte es diesen Peitschenfrauen gelingen, eine Schwester zu umgarnen, die Delia kannte, und sollte diese Frau hierherkommen, dann wurden die Anhänger Hodan Sets von der Leine gelassen, wie das alte Sprichwort besagte. Fell und Leder würden zerfetzt werden, ganz zu schweigen von Seidenstoffen und Perlenschnüren.
Die Bildnisse auf den Münzen, so wunderschön die ursprüngliche Gravur auch sein mochte, konnten Delia nicht verraten. Ihr Bild hing zumeist in den Räumen von Freunden. Während der großen kalendermäßigen Feste wurde sie von Tausenden von Menschen bejubelt, denen sie allerdings nur als ferne goldene Gestalt erschien, in Licht getaucht. Natürlich kannten die hohen Herrschaften des Hofstaates ihr Gesicht. Wenn sie einem von ihnen begegnete, würde er sofort die Herrscherin erkennen und sie entsprechend behandeln. Pech für sie, daß sie Sklavenjägern ins Netz gegangen war, die sich aktiv gegen sie verschworen hatten.
Nyleen war niemals allein mit Delia.
Stets war sie von Damen ihres Gefolges umgeben. Nadia und ihre Wächterinnen, die Werstingpflegerin, ein aus Nord-Evir stammendes Geschöpf namens Rinka die Streifen; außerdem Ilka die Silberrute, Paline Pontora, die Hausdame, verschiedene Sklavinnen, die dieses und jenes holen und Fächer schwenken mußten. Ihre Vertrauten kamen und gingen. Ihr Bruder wurde regelmäßig empfangen. Wenn Delia nur mal endlich mit Nyleen allein sein konnte…!
Ja, das war eine Methode, die benötigten Informationen zu erhalten. Sie würde geradeheraus danach fragen. Und Nyleen würde ihr antworten. Ja, sagte sich Delia gelassen, Nyleen würde antworten.
Allmählich heilte der Rücken. Mit der Zeit sammelte Delia weitere Informationen. Offenbar waren in die Verschwörung mehr Leute verwickelt, als sie zunächst angenommen hatte. Zum Beispiel die Hexe, die ebenfalls in der Burg wohnte. Schließlich verkündete Nyleen, daß sie eine Besuchsreise antreten wollte - das Ziel wurde nicht genannt. Jedenfalls wollte sie ihr Gefolge mitnehmen, einschließlich Sissys. Alyss sollte zurückbleiben. Da erkannte Delia, daß sie kaum noch etwas erreichen konnte, wenn sie nicht überhaupt schon völlig versagt hatte, und faßte den Entschluß, noch an diesem Abend zu fliehen.
14
Wenn sie es eilig hatte, konnte Delia mit Nadel und Faden recht großzügig umgehen. Ihre Stiche waren dann weit und ungleichmäßig, ziemlich groß und viel Stoff umfassend. Hatte sie aber Zeit - was kaum je einmal vorkam, bei Vox! - , konnte sie eine verflixt gute Schneiderin sein. Dann waren ihre Stiche ein Wunder an Genauigkeit und Sauberkeit und wunderschön anzuschauen.
Sie saß da, den silbernen Stoff auf den Knien, den Kopf auf die Seite gelegt, das Gesicht mürrisch verzogen, und zwang sich dazu, sauber und gleichmäßig zu nähen. Ein offenes Fenster des kleinen Raums, den sie sich mit Sissy teilte, ließ einen sanften Zephyrwind herein, der über ihren halbnackten Körper strich. In der Ecke wusch sich Sissy das Haar und prustete und spritzte herum und sparte nicht an Seife. Dabei stand ihr Mundwerk nicht still.
»Du hättest es nicht zulassen sollen, daß sie dir den Stoff zerreißt«, sagte Delia und biß einen Faden durch, mit gleichmäßigen weißen Zähnen, die auch scharf genug gewesen wären,
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