Sagan
überdurchschnittlich sein wie in allem anderen? Was Vertrauen und Aufrichtigkeit angeht, erhebst du ihn über jeden anderen, vertraust auf seine Stärke und auf seine Fähigkeiten und nennst ihn deinen besten Freund und Ratgeber. Er hat dich beinahe dein ganzes Leben lang beschützt, Malaya. Du hast gesehen, wie er das tut. Warum siehst du nicht, wen er jetzt schützt?«
»Er will Ashla vor ihrem Schicksal bewahren. Und das ist sehr edel von ihm, aber …«
Rika schüttelte den Kopf und seufzte.
»Nein,
K’yatsume
, nein. Guin schützt sich selbst. Und ich bete dafür, dass du dich eines Tages innerlich öffnest, damit du herausfindest, warum.«
»Warum kannst du es mir nicht einfach sagen?«, fragte Malaya frustriert. »Warum kann er es nicht?«
»Weil er weiß, genau wie ich, dass Verstehen erst dann zu etwas führt, wenn du selbst draufkommst.
Drenna
will, dass du dringend etwas lernst. Es wird dir nichts nützen, wenn du dir die Antwort erschleichst. Diesmal nicht.«
Frustriert und außerdem verstimmt, weil Rika sie behandelte wie ein dummes Kind, verließ sie das Zimmer der Wesirin mit einem verärgerten Schnauben.
Rika seufzte und flüsterte leise bei sich: »Ich weiß genau, wie du dich fühlst.«
Magnus hatte eine Wache an der Tür seiner Gemächer postiert, bis Acadian gefangen und vernichtet wäre. Sie hatte vielleicht kein Gesetz gebrochen, doch Religionsrecht war etwas anderes als Zivilrecht, und es war sehr speziell. Niemand durfte das Traumreich für schädliche oder eigennützige Zwecke nutzen. Das war eine schwere Sünde. Damit hatte Magnus das Recht, ihr eine Buße aufzuerlegen. Er konnte sie als Sünderin verfolgen, sie in die Knie zwingen und von ihr verlangen, dass sie ihre vielen Sünden bereute. Wenn sie es nicht tat, konnte er das Todesurteil verhängen. Oh, wie oft hatte er sich mit dem Wissen getröstet, dass eine solche Frau niemals bereuen würde. Das bedeutete, dass ihr Hals seinem Katana gehörte, und er musste nur der Versuchung widerstehen, die Sache stümperhaft zu erledigen. Manchmal konnte er an nichts anderes denken, als sie genauso grausam leiden zu lassen, wie sie Dae hatte leiden lassen, und zum ersten Mal in seinem langen Priesterleben konnte er kein Mitleid für eine Seele empfinden und ihr in seinem Herzen nicht vergeben.
Nicht, nachdem die wunderbare Frau, die er liebte, seit Tagen nur noch weinte, obwohl sie immer zu stolz gewesen war, um zu weinen. Nicht, nachdem Acadian sein Kind so vorzeitig in
Drennas
Arme geschickt hatte … bevor er es überhaupt hatte kennenlernen können.
Magnus betrat die Räume, die er mit seiner Dienerin teilte, und ging in sein Schlafzimmer, wo sie still dalag, den Blick ins Leere gerichtet und in so niedergeschlagener Stimmung, dass er es spüren konnte. Er trat zu ihr, setzte sich dicht neben sie auf das Bett und strich ihr liebevoll über die Wange.
»Hast du geschlafen?«, fragte er, obwohl er die Antwort bereits kannte. Sie würde nicht freiwillig schlafen. Nur völlige Erschöpfung konnte sie dazu bringen. Sie fürchtete sich wegen ihrer Verwundbarkeit im Traumreich, und es war seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass unschuldig Träumende sicher waren vor solchen Einflüssen. Es machte ihn ganz krank, dass er dabei so jämmerlich versagt hatte.
Allerdings konnte er Acadian nicht verfolgen, bevor er ihre Anwesenheit in der Sphäre wieder wahrnahm. Erst dann könnte er sie in die Knie zwingen und herausfinden, wer sie wirklich war. Ihre Anonymität schützte sie in sämtlichen Sphären, doch sie brauchte nur ein bisschen mit den Kräften des Traumreichs zu spielen, und er würde es bemerken. Jetzt, da er in Alarmbereitschaft war, würde er es mitbekommen. Dieser Instinkt unterschied einen Bußpriester von allen anderen. Auf dieser Ebene empfinden zu lernen war eine schwer zu meisternde Fähigkeit.
»Sag mir wenigstens, dass du etwas gegessen hast«, sagte er.
»Eine Kleinigkeit. Etwas Warmes, Braunes. Einen Eintopf, nehme ich an.«
»Gut. Das ist gut,
K’yindara
. Du bist immer noch sehr blass.« Und wenn man bedachte, dass ihre Haut die Farbe von Cappuccino hatte, war blass wirklich ein Alarmsignal. Durch die Fehlgeburt hatte sie eine Menge Blut verloren. Ihre Gleichgültigkeit, irgendetwas zu tun, um ihre Gesundheit wiederherzustellen, verhinderte, dass sie sich rasch erholte. Da sie zu wenig aß, kaum schlief und an Depressionen litt, konnte sie kaum selbst zu ihrer Heilung beitragen.
»Kanzlerin Malaya wollte dich noch
Weitere Kostenlose Bücher