Sagen aus Bayern
öffnete und der Unglückliche in die Tiefe des Verließes versank. Nach einer anderen Erzählung öffnete sich unter dem Verurteilten eine Falltüre, und derselbe sank in der Tiefe in die Arme der eisernen Jungfrau, die ihn mit denselben umschloß und an ihre mit Dolchen gespickte Brust drückte, während zugleich die mit Schwertern bewaffneten Arme ihn zerfleischten und der Unglückliche hierdurch des qualvollsten Todes starb. Namentlich knüpft die heutige Volkssage dieses geheimnisvolle Walten der eisernen Jungfrau an die Zeit des Kurfürsten Karl Theodor, durch dessen geheimen Ausschuß, an dessen Spitze der berüchtigte geheime Rat Lippert stand, allerdings ohne gerichtliches Urteil Landesverweisungen ausgesprochen, Todesurteile gefällt und ohne Geräusch heimlich vollzogen wurden. Personen, welche durch revolutionäre Grundsätze dem Staate gefährlich schienen, sollen dieser Sage nach plötzlich verhaftet, durch den gespenstigen »Einspänniger« in die Residenz abgeführt, dort im gefürchteten gelben Zimmer von dem geheimen Ausschusse abgehört und verurteilt, und sodann in dem Jungfrauenturm durch die Arme der eisernen Jungfrau ermordet worden sein. Die Münchener Sage benennt sogar mit Bestimmtheit den Hauptmann des churbayerischen Leibregimentes Franz von Unertl, welcher am Abende des 6. Januar 1796 aus einem Gasthause dahier mit dem Einspänniger abgeholt, und am 7. Januar morgens 3 Uhr durch die eiserne Jungfrau hingerichtet worden sein soll.
Der kalte Schlag der Schmiede
In Waldkirchen in Niederbayern und in der dortigen Gegend ist es Brauch, daß der letzte der Schmiede, Meister oder Gesell, welcher am Feierabend die Werkstätte verläßt, mit dem Hammer einen kalten Schlag auf den Amboß macht. Das geschieht, damit Luzifer seine Kette nicht abfeilen kann; denn er feilt immer daran, so daß sie immer dünner wird. Am Tage nach Jakobi ist sie so dünn wie ein Zwirnsfaden; aber an diesem Tage wird sie auf einmal wieder ganz. Würden die Schmiede nur einmal vergessen, den kalten Schlag auf den Amboß zu machen, so könnte Luzifer seine Kette ganz abfeilen.
Der Karlstein bei Reichenhall
Der Karlstein und Pankratz sind zwei sehr nahe aneinander liegende Felsen. Auf dem westlichen Gipfel, der Karlstein genannt, steht eine Ruine. Am Fuße des Berges liegt der Thumsee. Hier, auf dem Karlstein, berichtet die Sage, waren vor undenklichen Zeiten drei Frauen, welche man vor großen Ereignissen entweder singen oder jammern hörte. In der Waldwiese halfen sie den Haar (Flachs) ausziehen. Von dem Karlstein bis zu dem etwa achthundert Fuß entfernten, auf einem andern Berg liegenden Turm Amering, von welchem noch Überreste stehen, war eine lederne Brücke über das Tal gespannt.
Der kluge Mann
In früher Zeit wohnte in dem Wirtshause der Witwe Hauberstroh zu Dörflas, ein Dorf im Fichtelgebirg, bei dem Markte Redwitz, von welchem es durch die Kössein getrennt ist, ein Hagen, angeblich ein Gastwirt und Bierbrauer, welchem mehrere Sachen entwendet wurden, worüber er so sehr in Harnisch kam, daß er beschloß, dem Dieb das nächstemal den Tod antun zu lassen. Bald darauf kam im Hause eine silberne Kette abhanden. Hagen ritt zum Klugen Mann, welcher den Tod antun konnte. Dieser riet ihm ab, aber er beharrte. Der Kluge Mann sagte ihm nun, wer ihm zuerst im Hofe begegnen werde, habe die silberne Kette. Wie er in seinen Hof hineinritt, kam ihm sein eigenes Kind entgegengelaufen, das sich auf die Ankunft seines Vaters gefreut und ihn erwartet hatte. Es erkrankte aber plötzlich, und als man es entkleidete und in sein Bettchen legte, fand man die silberne Kette, mit welcher es gespielt hatte, in seinem Täschchen. Hagen ritt nun eilig zum Klugen Mann zurück, um den Tod von seinem Kinde abzuwenden; aber das konnte der Kluge Mann nicht, und als er nach Hause kam, war es schon tot. Sein Nachfolger, auch ein Hagen, hatte zwölf Kinder, welche alle zwischen einem und fünf Jahren starben. Auf dem Platze, wo jetzt das Wirtshaus steht, war ein adeliger Hof. Das, behauptete die Erzählerin dieser Sage, Witwe Haberstroh, sei gewiß; denn im Garten lagen noch zwei Särge in einer Gruft, einer von Kupfer, der andere von Zinn. Als sie und ihr Mann das Haus erworben hätten, habe man in der ganzen Gegend geglaubt, sie würden kein Kind am Leben erhalten; ihre Kinder seien aber bis jetzt alle gesund.
Auf dem Kirchhof zeigt man einen Grabstein, auf welchem ein Hagen mit seinen zwölf Kindern, von welchen fünf noch in Wickeln
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