Sagen aus Bayern
früheren.
Indessen wurde ihm stets mehr und mehr mit Wein zugesetzt: Er verfiel in Trägheit und schlechte Sitte, das Geschäft blieb zurück. Um so mehr wollte er sehen, wie es die Zwerge machten, hatte aber kaum die Tür geöffnet, als er ohnmächtig zu Boden fiel. Am Morgen war der Webstuhl zerbrochen und die Hütte in ihrem vorigen zerfallenen Zustand.
Da nahm er seine Arbeit, um sie zum Kaufherrn zu bringen und alles dort zu entdecken. Auf dem Weg legte er sich unter einem Baum nieder; zufällig sah er nach dem Gewebe, es war in Asche zerfallen. In höchster Verzweiflung machte er sich auf den Weg, um in die weite Welt zu gehen; er kam in einen Wald, und hier dachte er, wie gut es für ihn wäre, wenn ihm der Teufel helfen wollte; jetzt habe er ja doch nichts mehr zu verlieren und dem Teufel wäre er ja ohnehin schon verfallen. Wie er nun so vor sich hinging, sah er ein zwei Schuh hohes Männchen auf einem Stein sitzen, welches einen Stiefel ausgezogen hatte und zu schmieren begann. Der Weber dachte, das könne nur der Teufel sein, und ging auf ihn zu. Das Männchen aber kannte des Gesellen Herz und rief ihm entgegen: »Ich bin nicht der Teufel, aber ich suche, was du suchest, Rache an den Zwergen. Willst du mit mir gehen, um dich zu rächen, so tu, was ich dir sage. Hole mir da unten zwei Binsen herauf.« Der Weber brachte sie. Sie setzten sich nun rittlings jeder auf eine Binse und flogen weithin durch die Luft. An einem steinigen Platz hielten sie an und gingen dann, das Männchen voraus, der Weber hintendrein, in das Steingesprenge und zuletzt durch eine Kluft, welche so eng wurde, daß der Geselle vermeinte, er müsse zu einem Kartenblatt werden, um durchzukommen. Endlich machten sie halt. Da sagte das Männlein zum Weber: »Hörst du nicht Musik? Sie kommt von den Zwergen, welche Hochzeit halten; sieh durch diese Öffnung hinunter, und wenn die Braut dir nahe kommt, hole sie mir herauf! «
Da schaute der Weber hinunter durch eine Spalte in einen Saal, in welchem die Zwerge bei süßer Musik fröhlich auf- und abgingen und tanzten. Die Braut trug nebst allen Gästen seidene Kleider: Die Stoffe waren dieselben, deren Muster einst an seinem Webstuhl hingen; im Bräutigam erkannte er den Zwerg, mit dem er einst verkehrt hatte. Köstlicher Speisengeruch stach ihm in die Nase: Schon näherte sich die Braut, er wollte sie herauflangen, doch zog er die Hand wieder zurück; bei dem ungeduldigen Begleiter, der ihn darüber zankte, entschuldigte er sich, daß ihm ein Schweißtropfen von der Stirn in das Auge gelaufen sei. So auch das zweite Mal: Immer überkam ihn eine gewisse Furcht, die Braut zu stehlen. Da fuhr das Männlein zornig auf seinen Nacken und drohte ihn zu erwürgen, so er nicht zugriffe. Zum dritten Mal streckte er die Hand nach der Braut, da nieste sie, und er rief ihr unversehens ein »Helf Gott« hinunter. Nun brach alles zusammen mit fürchterlichem Getöse: Der Weber lag von einem Schlag des Männchens getroffen ohnmächtig da. Als er erwachte, standen die Zwerge um ihn, und der Bräutigam dankte ihm für die Rettung seiner Braut, ermahnte ihn aber, von nun an ein besseres Leben zu führen; mit Silber könne er ihm nicht lohnen, aber zu Arbeit wolle er ihm helfen, wie früher.
So ging der Weber heim, die Hütte war wieder ganz und der Webstuhl ordentlich aufgestellt. Er fing wieder zu wirken an, hatte stets Arbeit genug und lebte fortan glücklich.
Der Weltfisch
Die Stadt Cham soll früher viel größer gewesen sein. Chammünster Iag damals in der Mitte, und Chamereck bildete die östliche Spitze. Die ganze Stadt steht auf dem Schweif eines ungeheuren Fisches. Damit er nicht erschreckt werde und durch seine Bewegung die Stadt zerstöre, durfte früher der Hirt beim Austreiben des Viehes nicht blasen.
Der wilde Jäger
In den Waldschluchten des Spessarts, auf seinen Felsenhöhen haust der wilde Jäger. Der fromme Köhler, der seinen Meiler hütet, der harmlose Wanderer, der seinem ehrlichen Erwerbe nachgeht, die schuldlosen Kindlein, die Beeren suchen, sehen ihn nicht; aber er stellt sich überall ein, wo die Sünde ihm die Pforte öffnet, und wehe dem, der Böses sinnend ihm in den Weg kommt, wenn er in wilder Jagd mit höllischem Halloh über die Baumwipfel hinbraust! – Besonders an St. Petri Stuhlfeier (22. Februar) treibt er sein Unwesen; da ist kein Holzdieb sicher, daß er nicht mit gebrochenen Armen oder Beinen heimkommt: darum haben an diesem Tage der Wald und der Förster ihre
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