Sagen aus dem Rheinland
und die beschwerliche Reise wegzugehen, als ein Soldat, der auf der Brücke Schildwache stand, auf das sonderbare Gebaren des unruhig hin- und hergehenden Bauern aufmerksam wurde, ihn anredete und fragte, was er eigentlich hier suche.
»Ach«, erwiderte der Bauer, »da träumte mir dreimal hintereinander:
Zu Koblenz auf der Brück'
Da blüht dir dein Glück.
Und nun laufe ich schon den ganzen Tag hier auf und ab, aber vom Glück habe ich noch nichts gesehen.«
Da lachte der Soldat und sagte: »Auf Träume darf man überhaupt nichts geben; da träumte ich immer: In Rinzenberg steht in einer alten, zerfallenen Zisterne ein Kessel mit Gold. Aber soviel ich auch gefragt habe, kein Mensch kann mir erklären, wo Rinzenberg liegt, das gibt's ja gar nicht.«
»Ah«, dachte der Bauer, »bläst der Wind daher! Jetzt weiß ich genug.« Er verabschiedete sich schnell und machte sich auf den weiten Heimweg. Zu Hause fand er den Schatz richtig an der bezeichneten Stelle, hob ihn und erbaute weitab von seinem Dorf, am Eberswalde, nahe bei dem damals berühmten Sauerbrunnen, drei schöne Häuser und gründete so Neu-Rinzenberg, das unter dem Namen Rinzenberg heute noch besteht, während Alt-Rinzenberg verfiel und bald völlig verschwunden war. Im Volk will man noch die Stelle genau wissen, wo der Weiler einstens gestanden war.
Der Wechselbalg von Schalken
In Schalken war einem jungen Bauer die Frau gestorben und hatte ihrem Mann einen mutterlosen Säugling hinterlassen. Da sah nun niemand recht auf das Kleine, wenn auch die Nachbarinnen zuweilen Nachschau hielten. Eines Tages nahmen die Erdmännchen das Kind mit sich und legten eine alte, zahnlose Zwergin an seine Stelle.
Zunächst merkte dies niemand. Das Zwergmütterchen war noch stiller, als das kleine Mädchen gewesen war, und schlief viel; nur wenn man es bekreuzte oder mit Weihwasser besprengte, wimmerte es jedesmal. Als es aber nach geraumer Zeit gar nicht an Gewicht zugenommen hatte, ging der Bauer zu einer vielbefragten Wahrsagerin nach Lindlar und zeigte ihr ein paar Kopfhaare von dem Kinde. Da sagte die Frau sofort: »Das ist ein Wechselbalg, eine Zwergin, die wächst überhaupt nicht, und das rechte Kind ist in der Zwergenhöhle.« Und sie belehrte den Bauern ganz genau, was er tun müsse.
Als man am nächsten Mittag bei Tisch saß, während der Wechselbalg nahebei in der Wiege lag und wieder tat, als ob er schliefe, klagte der Bauer ganz laut, daß das Kind gar nicht wachsen wolle; ein Mittel werde er noch versuchen, nämlich es diesen Abend wieder taufen zu lassen. Dann ordnete er sogleich alles für die Taufe an, schickte das Gesinde hinaus und schloß hinter ihm zu. Er selbst holte sämtliche Töpfe herbei, stellte sie um den Herd herum und legte quer durchgeschlagene Eierschalen dazu. Dann tat er, als ob er auch hinausgehe, versteckte sich aber im Rauchfang.
Als es ganz still und finster geworden war, trippelte aufeinmal etwas durch die Stube zur Stubentür; diese ging auf, und die Kleine wollte bei der Haustür hinaus, um der angedrohten Taufe zu entgehen. Als sie aber die vielen Töpfe und Eierschalen am Herd sah, guckte sie neugierig hinein, zählte sie und rief:
»Ich bin so alt
Wie der Duisburger Wald,
Hab' aber mein Lebtag nicht gesehn
So viel' Töpfe am Herd eines Bauern stehn.«
Dann lief sie fort.
Der Bauer kroch aus dem Rauchfang heraus, holte seine Leute und auch den Pfarrer herbei, und als diese vors Haus kamen, hörten sie von draußen in der Stube drinnen ein Kind weinen. Als sie aber eilig nachsahen, lag in der Wiege des Bauern sein kleines Mädchen, gesund und frisch und schon ordentlich gewachsen, das häßliche Zwergenkind aber war verschwunden.
Seit diesen aufregenden Tagen ließ der Vater seinem Kind alle Liebe und Sorgfalt angedeihen.
Der Weisenstein
In Viersen auf dem Markte lag in früherer Zeit ein Stein, den man den Weisenstein nannte. Er sollte weiser sein als die Menschen, die oftmals, wenn ein Unrecht geschehen war, trotz vieler Zeugen und der klügsten Richter nicht den Übeltäter fanden und in leblosen Dingen Gottes Kraft vermuteten und durch sie ein sichtbares Zeichen als sein Urteil suchten. Bei diesem Stein aber sollte es sein, daß der Angeklagte mit der Hand auf ihn schlagen sollte. Blutete ihm davon die Nase, dann war er der Übeltäter. jedermann aber weiß, daß es Menschen gibt, denen leicht die Nase blutet, sogar ohne daß sie auf einen Stein schlagen, und es wird wohl keiner sein, dem nicht schon einmal die
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