Sagen aus Franken
die Folgen ihrer Bluttat. Als am nächsten Morgen Ritter und Knechte des Burggrafen vor den weissen Turm ritten, um die Schuldigen ausfindig zu machen, war die Vorstadt verlassen. Die Sensenschmiede waren noch in derselben Nacht mit Weib und Kind aufgebrochen und nach Donauwörth gezogen. Dort waren sie vor Strafe und Rache des Burggrafen sicher. In St. Jakob, neben. dem weisen Turm, liegen die Gebeine der beiden Junker Hans und Sigmund begraben.
Der feine Pinsel
Giovanni Bellini, ein berühmter Künstler aus der italienischen Stadt Venedig, war gegen Dürer besonders freundlich. Mehrmals besuchte er ihn bei seiner Arbeit, lobte seine Bilder und wunderte sich besonders über die Feinheit der Pinselstriche. Als er sich verabschiede, bat er Dürer, daß er ihm als Zeichen seiner Freundschaft einen Pinsel gäbe, mit denen man so wunderbar feine Haare malen könne. Dürer griff eine Handvoll gewöhnlicher Pinsel, die da herumlagen, und hielt sie ihm hin: »Bitte, wählt Euch einen, wenn ihr sie nicht alle mitnehmen wollt!« Bellini aber sagte: »Nein, solche Pinsel hab' ich selber! Ich möchte nur den Pinsel, mit dem Ihr die langen feinen Haare malt!« Dürer sagte: »Ich habe keine andern Pinsel« Als er sah, dass Bellini ungläubig lächelte, ging er hin und malte der Jungfrau Maria, die er gerade auf der Staffelei hatte, mit einem ganz gewöhnlichen Pinsel eine so wunderbar weiche Haarlocke, die aus so haarfeinen Strichen gemalt war, dass Bellini es endlich glaubte. Aber er erzählte hinterher immer wieder: »Ich hätte es nie geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte!«
Die Sonne Italiens
Albrecht Dürer war schon ein großer berühmter Künstler, als er endlich einmal nach Italien reisen konnte. Er wanderte dort von Stadt zu Stadt, betrachtete die Kunstwerke und wurde überall von den Malern mit großen Ehren empfangen Alle bewunderten seine große Feinheit und Genauigkeit in der Beobachtung und Schilderung der Natur. So kam es, daß sich Dürer in Italien sehr wohl fühlte. Es war warm in Italien, aber besonders warm wurde es Dürer ums Herz, weil er so viel Freundlichkeit und soviel Verständnis fand. Als er endlich nach neun Monaten wieder nach Norden reisen mußte, rief er aus: »O, wie wird mich nach der Sonne frieren!«
Die Steckenreiter
Oktavio Piccolomini, der Herzog von Amalfi, war das Oberhaupt der Reichskommision, die in Nürnberg die Friedensbedingungen, auf die man sich in Münster und Osnabrück geeinigt hatte, bis ins einzelne und kleinste ausarbeiten sollte. Er war zwar ein großer Herr; aber er hatte niemals etwas gegen Spiel und Scherz einzuwenden. Da war es einmal einem Spaßvogel eingefallen, bei den Nürnberger Kindern ein Gerücht auszusprengen, daß jeder, der am nächsten Sonntag auf einem Steckenpferd vor Piccolominis Haus geritten käme, einen Taler kriegen sollte.
Der Samstag kam, und kaum war die Kirche zu Ende, da kamen auch schon die Buben in hellen Haufen dahergeritten. Sie lachten und lärmten und galoppierten auf ihren Steckenpferden an den Fenstern des Herzogs vorbei. Piccolomini wunderte sich über den Lärm, machte sein Fenster auf, und schaute hinaus. Da grüßten ihn die Reiter und die Pferde mit fröhlichem Schreien und Wiehern. Und er sah, wie aus allen Gassen und Straßen noch neue Reiter dazukamen, bald einzeln, bald in ganzen Zügen. Der Herzog hatte großen Spaß an dem Aufzug und schickte einen Diener hinunter: Was das denn bedeute? Da kam der Schwindel heraus!
Der Herzog lachte über den Scherz, winkte der ganzen munteren Schar freundlich zu und ließ dann durch einen Diener verkünden, daß er heute leider auf den Besuch nicht vorbereitet gewesen sei; sie sollten nur am nächsten Sonntag noch einmal kommen, da wolle der Herzog sein unfreiwilliges Versprechen freiwillig einlösen. Die Buben schrien und jubelten, und mit Springen und Lachen zogen sie davon.
Acht Tage später kamen die Steckenpferdreiter wieder vor das Haus des Herzogs; diesmal in noch viel größerer Menge. Wieder hatte der Herzog großen Spaß an ihnen. Er hatte in der Zwischenzeit silberne Münzen prägen lassen, die aber nicht rund, sondern viereckig waren. Auf der Vorderseite sah man einen Buben auf dem Steckenpferd, mit der Peitsche in der Hand und der Jahreszahl 1650. Auf der Rückseite sah man den Reichsadler und ein Hoch auf den damaligen Kaiser Ferdinand III.
Jeder Steckelesreiter bekam so einen Taler. In mancher Nürnberger Familie wird die Münze heute noch
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