Sagen aus Franken
geraten sind. Nun kehre in deine Vaterstadt zurück, morgen wird dein elterliches Haus versteigert; verwende das Gold, um damit die Gläubiger deines Vaters zu bezahlen, und nimm wieder Besitz von deinem väterlichen Erbe! Dann geh in das Zimmer deines Vaters, dort hängt ein altes Ölgemälde an der Wand; rücke es weg, und du wirst dahinter einen gemauerten Schrank finden, in dem alle in dem Geschäftsbuch deines verstorbenen Vaters eingetragenen Schuldscheine enthalten sind; damit wird dann auch die Ehre deines Vaters wiederhergestellt sein; für mich aber laß hundert Seelenmessen lesen und bezahle eine jede mit einem Goldstück.«
Nach diesen Worten führte ihn die Jungfrau wieder aus der versunkenen Burg hinaus, und sogleich war die Öffnung samt der Erscheinung verschwunden. Heinrich wanderte nun getrosten Mutes seiner Vaterstadt zu, nahm sein väterliches Erbe in Besitz und führte Serpentina, die schöne Bürgermeisterstochter, als seine Gattin heim. Beide führten die glücklichste Ehe.
Als sie starben, stifteten sie ein Waisenhaus und verordneten, daß die Waisenkinder alle Jahre an dem Todestag der Stifter einen frohen Festtag feiern sollten, den man später das »Kinderfest zu Dinkelsbühl« nannte.
So benimmt sich kein geborener König
Der König Wenzel hat später viel Unglück über sein Haus und über das ganze Reich gebracht. Er war ein Säufer und ein Luderjahn. Wie ihn einmal der König von Frankreich in die Stadt Reims eingeladen hatte und ihn zum Festessen abholen wollte, da lag der König Wenzel sinnlos besoffen auf dem Ruhebett und konnte nicht mitkommen; bei dem Festessen drauf war dann sein Stuhl leer. Damals schämten sich alle Deutschen für den König Wenzel; aber schon früher erzählte man in Nürnberg eine Geschichte, dass Wenzel gar nicht ein Sohn Kaiser Karls IV. war, sondern ein einfacher Schusterjunge.
Till Eulenspiegel als Professor der Medizin
Till Eulenspiegel kam auch einmal nach Nürnberg. Er hatte sich mit einer großen Perücke, mit einem samtenen Barett und mit einem schwarzen Mantel zu einem berühmten Doktor der Medizin verkleidet Er ging geradewegs auf das berühmte, große Nürnberger Spital zu und besuchte den Bader, der die vielen Kranken im Haus versorgen mußte, und von dem jeder wußte, daß er lieber hinter dem Becher saß, als seiner Arbeit nachging. Der Professor der Medizin bot an, daß er alle Kranken, die damals im Spital lagen, in ganz kurzer Zeit so heile, daß sie freiwillig das Haus verließen.
Mit Freuden ging der Bader darauf ein. Man versprach dem Herrn Professor 200 Goldgulden, wenn ihm sein Werk so gelinge, wie er es angekündigt hatte. Seine Bedingung war nur, daß er mit jedem Kranken einzeln unter vier Augen sprechen könne. Der Professor ging also von Bett zu Bett und flüsterte den Kranken ins Ohr:,,Ich will euch allen helfen. Ich brauch dazu nur eine Kleinigkeit, ein Pulver, das man aus getrocknetem Menschenfleisch machen muß. Ich will mich also nachher auf den Tisch stellen und rufen: »Wer laufen kann, der soll so schnell wie möglich das Spital verlassen! Aus dem letzten aber will ich dann das Pulver machen, mit dem ich den andern helfe.« Die Kranken waren voller Angst, aber keiner konnte mit dem andern reden; denn der Professor hatte streng befohlen, daß alles geheim bleiben müsse, weil er sonst überhaupt niemandem helfen könne. Am andern Morgen kam der Professor, stieg auf den Tisch und rief: »Wer gesund ist, soll das Spital sofort verlassen!« Da sprangen die Kranken, was sie konnten, nach der 'Tür und auch die Schwachen und Lahmen krochen und humpelten, so schnell sie konnten, die Treppe hinunter und hinaus zum Tor. Jedermann wunderte sich: das Spital war leer. In den Sälen war kein einziger Kranker mehr, und man zahlte dem Till die Summe von 200 Goldgulden aus.
An diesem Tag wollte der Bader seinen Abendschoppen ein wenig früher anfangen; aber wie er zur Haustüre hinausging, da hing vor seiner Nase der schwarze Mantel unter dem Barett mit der weißen Perücke des Professors. Ein Stück Papier war dabei; auf dem stand gemalt: Eine Eule neben einem Spiegel. Da wußte der Bader, was es geschlagen hatte, und vor ihm stand dichtgedrängt, Kopf an Kopf, die ganze Schar seiner Kranken; die wartete auf den Professor, daß er ihnen helfen sollte. Der war aber über alle Berge. So blieb dem Bader nichts übrig, als die Kranken alle wieder in ihre Stuben zu lassen, und so kam es, daß er an diesem Tag seinen Abendschoppen nicht
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