Sagen und Märchen Altindiens
brennen,
Sterben nach der Mutter Fluch!
Weiter, weiter!
kommt in Scharen,
Kommt in Heeren!
Komm, du gift'ges Volk der Schlangen!
Fünfundfünfzig,
Siebenundsiebzig,
Neunundneunzigtausend Völker
Gift'ger Schlangen, eilt herbei!
Seht ihr, wie die Flamme loht?
Und die Flamme loht zum Tod!
Stürzt ins lodernde Verderben –
Alles end' im großen Sterben!
Die ihr in den Wäldern lauert,
Die ihr unter Steinen kauert,
Die ihr kriechet durch den Kot:
Kommt! – Nun prasselt euch der Tod!
Kommt, ihr Bösen, Gift'gen, Falschen!
Kommt, ihr Kinder Mutter Kadrus!
Grüne, gelbe, blaue, rote,
Schwarze Brut der braunen Erde!
Brennt! ihr schnellen Zickzackläufer,
Daß ihr niemals wiederkehret!
Endet alle mit dem Mörder:
Takschaka! ich rufe dich!
Lockend und drohend klang es in die Wälder hinaus, fand seinen Weg zum Ohr und Herzen der Schlangen, koste den schlanken Leib und schüttelte ihn vor Entsetzen.
Langsam folgten die Gerufenen der unwiderstehlichen Lockung.
Langsam, doch stetig!
Angstvoll hielten sie nach den ersten Windungen an, riefen Verwandte und Freunde, um in ihnen Kraft zum Widerstreben zu finden, und rissen die Herbeigeeilten nur mit auf den Weg zum Verderben.
Das Säuseln des Windes trug die Zauberformel durch alle Lande: süß schmeichelnd und lockend, trotzig drohend und fesselnd!
In allen Wäldern raschelte das Laub den seltsamen Spruch und lockte die Schwachen zum Tode; die Bäche murmelten ihn auf ihrem Lauf und die heißen Steine klirrten ihn in die Sonne!
Weit und breit bedeckten sich die Wege nach Hastinapura mit gleitenden Schlangenleibern, und alles wogte nach den lodernden Feuern vor der Opferhalle. Das glitt und sprang und warnte den Nachbar vor der Gefahr, die ihn selbst anzog. Wie ein Rausch war es über die klugen Geschöpfe gekommen, wie ein vernichtender Rausch und ein verzehrender Durst nach Tod und Todesfurcht!
Wochen, Monde und Jahre währte das Opfer.
Hundert- und aberhunderttausend Schlangen waren dem lockenden Rufe Utankas und seiner Priester schon gefolgt – waren ins lodernde Feuer geglitten und ihrer Mutter zu Ehren verbrannt.
Wenige bargen sich noch in den geheimsten Schlupfwinkeln, doch zwingend klang auch dorthin das geheimnisvolle Raunen vom Feuer auf der Opferstätte.
Takschaka war mit Wasuki zu dessen Schwester geflohen, die als Weib eines Brahmanen über den Zauber erhaben war. Doch blutenden Herzens beklagte die gute Dscharatkaru den Untergang ihres lieben Volkes.
Wasuki seufzte, daß Astika, das Söhnlein der Schwester, erst zwölf Jahre alt sei, denn von ihm sollte den letzten des Schlangenvolkes Rettung werden, nach Brahmas mildem Spruch. – Ach! es würde zu spät sein! denn wenige waren nur, die dem Zauber noch widerstanden hatten.
Als Astika die Klagen der Mutter und des Oheims hörte, tröstete er sie mit verheißenden Worten und eilte an den Hof Dschanamedschajas, um die letzten vom Geschlecht seiner Mutter zu erretten.
Takschaka aber fühlte den Zauber in seinem Herzen bohren und locken, und floh vor Entsetzen zu Indra, daß dieser traute Freund des regenfrohen Schlangenvolkes ihn vor dem sengenden Tod beschütze.
Und zu Hastinapura ging das Opfer weiter:
Kommt, ihr Bösen, Gift'gen, Falschen!
Kommt, ihr Kinder Mutter Kadrus!
Grüne, gelbe, blaue, rote,
Schwarze Brut der braunen Erde!
Brennt! ihr schnellen Zickzackläufer,
Daß ihr niemals wiederkehret!
Endet alle mit dem Mörder:
Takschaka, ich rufe dich!
So klang es in den Wald hinein, als der schöne Knabe Astika zur Opferstätte kam.
Doch wehe: Die Wachen, die Diener des Palastes, die Priester – alle wiesen das Kind von der Stätte ernster Andacht, denn sie fürchteten eine Störung des Opfers, und Takschaka, das Ziel des jahrelangen Mühens, war von den lockenden Zaubersprüchen noch nicht bezwungen worden.
Da stand Astika an der weiten Pforte, die zur Opferstätte führte, und sah die Priester mit rauchroten Augen die Feuer schüren, den König und seine Gäste mit Andacht der heiligen Handlung folgen und über alles eine ernste Schönheit gebreitet.
Begeistert hob er seine helle Knabenstimme, und jubelnd klang es zur Weihestätte:
»Oh, seht das herrliche Opfer!
Die Feuer leuchten wie die Sterne am Himmel, und der Opferherr thront unter ihnen wie der lichte Mond.
Golden und schwarzrandig loht es zum Himmel, und rechtshin streicht der duftende Opferrauch, zur Freude der Götter.
Frommen Herzens wandeln die Priester zwischen den Feuern, und ihre Weisheit ist die Brücke zwischen Menschen
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