Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sagen und Märchen Altindiens

Titel: Sagen und Märchen Altindiens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Essigmann
Vom Netzwerk:
klagte ihm, daß ihre Gebieterin an einem unbekannten Leid sieche. Vater und Mutter aber ahnten, was Damayantis Herz bedrücke, und sandten Boten in alle Lande, die dort verkündigen mußten: Nach sieben Monden wird König Bhimas Tochter im Hause des Vaters den Gatten wählen!
    Nun rüsteten die Könige und Prinzen aller Länder zur Reise und zogen in hellen Scharen nach Kundina, denn jeder hoffte auf das Glück, vor Damayantis Augen Gnade zu finden. Sie kamen mit Rossen und Wagen, auf Elefanten und Kamelen, geschmückt mit Blumenkränzen und allen Schätzen Indiens, in glänzenden Waffen, von stolzen Vasallen umgeben, und erfüllten die gastfreien Hallen und Höfe in Bhimas Palast mit Waffenlärm, Lachen und Singen, und manchem Seufzer der Liebe.
    Nun geschah es zu jener Zeit, daß zwei heilige Männer, bußereiche Einsiedler, ihr Erdenwallen vollendet hatten und in den strahlenden Himmel Yamas einzogen.
    Dort fanden sie unter dem mächtigen Feigenbaum, im nieverlöschenden Licht, die Herren des Himmels und der Erde beim berauschenden Somatrank sitzen. Indra saß da auf dem Ehrensitz, den des Götterschmieds kundige Hand aus Gold getrieben hatte, das Urbild des Kriegers: hoch und breitbrüstig, mit Armen wie Keulen, das Haupt von hellen Locken und mächtigem Barte umrahmt, die Augen voll Feuer; Varuna, der Herr der Gewässer und Schirmherr der Rosse, im goldschimmernden Panzer; Agni, der Feuergott, der ewig junge, ewig neue, der als Freund der Menschen seine roten Stuten über die Erde treibt, und Yama, der ernste Gott des Todes und des Rechtes, an dessen Füße sich zwei vieräugige Hunde schmiegten.
    Die Heiligen grüßten die Götter und fragten, wie es die Sitte heischte, gar artig den obersten: »Gabenreicher Indra, mächtiger Dämonenbezwinger, bist du und die Fürsten bei gutem Wohlsein?« Indra dankte und sprach die Hoffnung aus, daß die Heiligen während ihres Erdenwallens reiche Schätze an Buße aufgehäuft hätten. Dann fragte er, wie es wohl käme, daß ihn schon mondenlang keiner von den Helden der Erde besucht habe. »Diese meine Welt der Seligkeiten, die jeden Wunsch erfüllt, steht allen offen, die ehrlichen Schlachtentod fanden!« so sprach er.
    »O Götterkönig!« rief einer der Büßer, »so weißt du nicht, daß alle Waffen ruhen, bis Damayanti den Gatten gewählt hat! Damayanti, des Widharberkönigs holdes Kind, das an Schönheit alle Frauen der Erde übertrifft, den Götterjungfrauen gleicht und der fußlos wandelnden Sonne! Zu Damayantis Gattenwahl ziehen alle Fürsten der Erde, denn für sie schlagen aller Helden Herzen!«
    »Bei Writra, den mein Donnerkeil erschlagen hat! da wollen wir dabei sein!« rief Indra, und die Götter stimmten freudig ein.
    Als die vier Welthüter zur Erde fuhren, sahen sie König Nala, der auf den Ruf von Bhimas Boten zur Gattenwahl Damayantis reiste. Und weil er so schön von Gestalt war und von makellosem Ruf, so wollten sie ihn zu ihrem Boten wählen. Sie stiegen aus den Wolken nieder, und Indra rief: »He, König der Nischader, Herr unter den Königen, du bist worttreu und ein Freund der Wahrheit: Sei uns Beistand und Bote, edelster der Männer!«
    »Ich will es sein!" gelobte Nala den Strahlenden und neigte sich mit ehrfürchtigem Händefalten. »Wer seid ihr? und an wen wollt ihr mich senden?«
    »Unsterbliche sind wir, die um Damayanti, die schönste der Sterblichen, werben wollen. Indra heiß' ich, hier Agni und der Herr der Gewässer, dort Yama, der Menschheit Richter im Leben und im Tod. Melde der Lieblichen: Indra, Agni, Varuna oder Yama, einen der vier soll sie zum Gatten wählen.«
    Demütig bat Nala: »Erlasset mir diesen Dienst, ihr Welthüter voller Gnade! Wie kann ich tun, was mir das Herz bricht? Ich wollt' um Damayanti werben, wie kann ich eure Sache gut führen!«
    »Du hast's gelobt, nun halt' dein Wort!«
    »Wie komme ich durch die Wachen vor dem Frauenhaus?« fragte Nala traurig.
    »Sie sollen dich nicht sehen!« sprach Indra, und schweren Herzens ging der Nischader, um sein Wort redlich zu halten.
    Unbelästigt kam er in den Hof des Frauenhauses. Dort wusch Kesini den weißen Mantel ihrer Herrin im Abendtau und bleichte ihn im Mondenschein. Die Kluge sah den Herrlichen und führte ihn vor Damayanti und ihre Frauen. War das ein Staunen und Raunen unter den Mädchen, als der Held in den Saal trat. »Wer mag der Herrliche sein?« »Sieh sein strahlendes Auge!« »Ist's ein Gott?« So flüsterte es durcheinander, und aller Augen hafteten an

Weitere Kostenlose Bücher