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Sagen und Märchen Altindiens

Titel: Sagen und Märchen Altindiens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Essigmann
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Dscharatkaru genügen! – und ist es bereit, mein Bettlerdasein zu teilen, so rette ich euch und mich!«
    Und wie ein Wahnwitziger eilte er hinweg und schrie durch den Wald:
    »Wer schenkt seine Tochter einem Bettler? – Aus Barmherzigkeit!«
    Die Mädchen aber flohen vor dem schmutzigen, vom Fasten halb verhungerten Frommen, und er irrte weiter durch die Welt, überall seinen Bettelspruch um ein Weib wiederholend.
    Als die Schlangen den Einsiedler um ein Weib betteln hörten, gedachten sie der milden Worte Brahmas und brachten die Nachricht ihrem König Wasuki.
    Rasch eilte der um die Rettung seines Volkes Besorgte zu dem frommen Dscharatkaru und bot ihm seine schöne Schwester zur Gattin an.
    »Wie heißt deine Schwester?« fragte der Büßer.
    »Dscharatkaru, wie du!«
    »Und weißt du, daß ich sie nicht ernähren kann? denn ich bin ein Bettler und habe gelobt, es zu bleiben.«
    »Ich will sie beschenken und erhalten, als würde sie das Weib eines Königs!« sprach Wasuki.
    Da ging Dscharatkaru in Wasukis Palast, und vor dem heiligen Hausfeuer nahm er die Schlangenprinzessin in feierlicher Hochzeit zum Weibe.
    Als Dscharatkaru ihrem Gatten ein Knäblein schenkte, nannte sie es Astika, und der fromme Brahmane weihte es der Gattin Brahmas, Sarasvati, der Schirmherrin von Kunst und Wissen, der Göttin der Beredsamkeit. Aus dem reichen Gnadenschatz seiner Buße, schenkte Dscharatkaru dem Söhnlein die Gabe, daß niemand seinen Bitten widerstehen können sollte.
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    Im Königspalast zu Hastinapura war einstweilen Dschanamedschaja zum gewaltigen Helden herangewachsen, und er führte die Herrschaft als kluger und tapferer König.
    Als er einst im Triumph von der Bestrafung eines raubsüchtigen Nachbarn heimkehrte, trat ihm Ruru, ein junger Brahmane, entgegen.
    »Du glaubst von einer großen Tat zu kommen, König!« sprach er zu Dschanamedschaja. »Und doch hast du nur Raub an deinem Eigentum bestraft, und der Mord an deinem Vater ist noch ungerochen!«
    »Was sprichst du da? Jüngling aus edlem Geschlecht!« rief der König. »Wer bist du? und wie starb mein Vater?«
    »Ruru heiße ich, und vor wenigen Monden hat eine Natter meine Braut zu Tode gebissen. Yama, der gute Gott des Todes, hat auf mein inniges Flehen gewährt, daß ich das mir zugemessene Stück Leben mit ihr teile. So lebt sie wieder und ist meine Gattin, bis Yamas Boten uns – ach! lange vor der Zeit – holen werden. Doch den Nattern habe ich Rache geschworen und komme, dich, König, mahnen! Auch du hast die Pflicht, die Argen zu vertilgen, denn dein Vater Parikschit fiel unter dem Giftzahn des Natterkönigs!«
    Da berief Dschanamedschaja den weisen Priester Utanka nach Hastinapura und ließ von ihm das große Schlangenopfer rüsten, denn der allein kannte die verborgensten Opferbräuche und die zwingenden Zaubersprüche.
    In der Opferhalle saß der junge König. Erlauchte Gäste aus allen Ländern umgaben ihn: Herrscher aus den benachbarten Reichen, Freunde und Vasallen, viele edle Frauen und würdige Priester.
    Wyasa war gekommen, der greise Heilige, der als Sänger die Heldentaten der Vorfahren pries und von der großen Schlacht am Kurufelde sang.
    In weiser Rede und Gegenrede glänzten die ehrwürdigen Brahmanen vor dem ganzen Hof und empfingen reiche Geschenke von dem freigebigen Herrscher.
    Und vor der Halle loderten die Opferfeuer! Priester in schwarzen Talaren schritten dazwischen umher und nährten sie mit Sandel und anderen kostbaren Hölzern, sprengten Weihwasser aus goldenen Becken nach allen Himmelsrichtungen und wiederholten Utankas halblaut gesungenen
    Schlangenzauber
    Kommt, ihr Sanften, Klugen, Schnellen!
Kommt, ihr Kinder Mutter Kadrus!
Grüne, gelbe, blaue, rote,
Schwarze Brut der braunen Erde!
    Wärmt euch an der hellen Flamme,
Wie im Schein der goldnen Sonne,
Kühlt euch in geweihtem Wasser,
Wie in Indras Regenflut!
    Kommt! und ruft die ganze Sippe:
Vater, Oheim, Bruder, Schwester
Und der Schwester flinken Gatten!
Kommt in Rudeln,
Kommt in Scharen!
Komm, du ganzes Volk der Schlangen!
Fünfundfünfzig,
Siebenundsiebzig,
Neunundneunzigtausend Völker
Kluger Schlangen, eilt herbei!
Beißzahn, Schnellzung', Zähneschärfer,
Tausendgift, Gazellenwerfer,
Würger, Viper, Otter, Natter,
Ewigfresser, ewig Satter:
Hört und eilt und kommt herbei!
    Wohl! ihr naht:
Es glänzt das Feuer,
Sprüht das Wasser wie ein Regen
Aus den güldenen Gefäßen,
Die des Priesters Hand geweiht!
Schwarzer Rauch steigt gegen Himmel
Und die ersten Opfer

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