Sagen und Märchen Altindiens
Kaurava
Jugend
Bhischma, der nach Pandas Tod für den blinden König das Reich verwaltete, erzog in treuer Liebe auch diese Schar von Kindern und galt ihnen allen als Großvater.
Bhima, der Zweitgeborene der Pandava, den einst der Sturmgott der Kunti geschenkt hatte, war der stärkste und wildeste unter den vielen Knaben. Er schüttelte Brüder und Vettern von den Bäumen, wenn sie nach Früchten hinaufgeklettert waren, und zauste, sie unsanft an den Haaren oder warf sie wohl auch in den Schloßteich, wenn es zu kindlichen Balgereien kam.
Durjodhana, der älteste der Kaurava, welcher sehr herrschsüchtig veranlagt war, nahm dem Vetter diese kindischen Derbheiten um so übler, als er zu schwach war, den Gleichaltrigen, auch nur im Spiel, unter seine Botmäßigkeit zu zwingen. Diese Mißgunst des Knaben wuchs sich im Jüngling zum Haß aus.
Einst lud er die Pandava in eine Laube, die er auf einem Floß über den Strom anmutig und kunstvoll erbaut hatte. Dort setzte er dem Verhaßten vergiftete Früchte vor. Bhima aß davon und taumelte betäubt ins Wasser.
Und wie er tiefer und tiefer sank, kam er in das Reich der Naga: der Schlangen und Schlangengeister. Die freuten sich sehr über den schönen und starken Jüngling. Sie brachten ihn vor ihren König Wasuki.
Der erkannte die Vergiftung gleich und biß den Betäubten in den Arm, so das Gift durch Gegengift vertreibend. Als Bhimas Sinne sich zu regen begannen, ließ er ihm köstlichen Soma reichen. Der Pandava trank davon acht Krüge und sank berauscht zurück. Nun ließ Wasuki den Trunkenen von seinen Schlangen über das Wasser tragen und am Ufer niederlegen. Dort schlief Bhima acht Tage und Nächte, stand dann völlig genesen auf und ging heim zu Mutter und Brüdern. Die waren um ihn in großer Sorge gewesen.
Auf den Rat des weisen Oheims Vidura verschwiegen die Pandava Durjodhanas rachsüchtigen Angriff, um nicht zwischen den nahverwandten Häusern eine unüberbrückbare Kluft aufzureißen.
Nachdem die erste Kindheit vorbei war, lernten die Prinzen bei zwei tüchtigen Waffenmeistern, dem Brahmanen Drona und seinem Schwager Kripa, das Waffenhandwerk und ritterliches Wesen.
Die kriegerischen Übungen waren ein üppiger Boden für Eifersüchteleien zwischen den Prinzen aus den beiden Häusern des Bharatageschlechtes:
Judhischthira übertraf im Wagenrennen alle seine Gefährten. Durjodhana und Bhima stritten stets um die Palme im Keulenkampf. Der unbesieglichen Kraft des Pandava setzte der Kaurava eine schlangenhafte Beweglichkeit entgegen. Nakula und Sahadewa, die Madrizwillinge, zeichneten sich im Schwertkampf vor allen aus, und Ardschuna, der Indrasproß, war der Liebling des ehrwürdigen Waffenmeisters Drona und sein bester Schüler. Der schwere Streitbogen war seine Hauptwaffe. Unermüdliche Ausdauer hielt ihn den ganzen Tag auf dem Schießstand, und selbst bei Nacht schlich er sich hin, brannte eine große Öllampe an und schoß Pfeil auf Pfeil nach dem Ziel. Als Drona ihn einst bei solch einer einsamen Übung ertappte, nahm er die Lampe weg, um den Allzueifrigen vor Übertreibung zu bewahren. Doch Ardschuna übte von nun an im Dunkeln und lernte so bald, auch bei Nacht jedes Ziel treffen.
Als der Bogenkundige einst in einer Lehrstunde alle Brüder und Vettern beschämte, denn er allein hatte alle hölzernen Zielvögel von den Stangen geschossen, sprang ein schöner Jüngling, in goldenem Panzer, mit prächtigem Ohrenschmuck, in die Arena, ergriff' den Bogen und spaltete Schuß um Schuß die Stangen, auf welchen die Ziele gesteckt hatten. Alle staunten über die Kunst des Schützen.
»Prächtig!« jubelte Durjodhana. »Ardschuna, der sich für unübertrefflich hielt, hat seinen Meister gefunden! Wie heißt du, edler Krieger, und über welches Volk herrscht dein Vater?«
»Karna heiße ich!« sprach der Goldschimmernde errötend, »doch bin ich nicht königlichen Geblütes!«
»So sollst du die Provinz Anga von mir zum Geschenk erhalten und dort als König herrschen!« rief Durjodhana, der einen Krieger, welcher selbst seinen Vetter Ardschuna im Bogenschießen übertraf, um jeden Preis an sich fesseln wollte.
Da trat der alte Rosselenker Adhiratha aus der Zuschauermenge, umarmte Karna, vor Freude schluchzend, und rief ein über das andere Mal: »Mein Sohn, mein tapferer Sohn, wie stolz bin ich auf dich!«
Die Pandava hatten während Karnas Schießen voll Staunen beim Ausbruch von Durjodhanas Schadenfreude; voll Grimm geschwiegen.
Nun aber schrie
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