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Sagen und Märchen Altindiens

Titel: Sagen und Märchen Altindiens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Essigmann
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und seine Brüder nach dem Wald Waranawata, und Kunti zog mit den Söhnen ins Elend.
    So geschah es nach dem Willen Durjodhanas: In der Einsamkeit hatte er von seinen Sklaven ein Holzhaus bauen lassen, dessen Doppelwände mit Stroh, Harz und ähnlichen Brandstoffen gefüllt waren. Einer seiner Haussklaven sollte die Verbannten im Walde erwarten, ihnen diese einzige Zuflucht in der Wildnis zur Wohnung anbieten und bei Gelegenheit Feuer an das Haus legen.
    Die Pandava kamen und brachten eine alte Pariafrau samt ihren fünf Söhnen zur Bedienung mit. Vidura, der Durjodhana durchschaute, hatte Kunti vor ihrem Auszug gewarnt. So waren die Pandava auf ihrer Hut und gruben gleich nach ihrer Ankunft einen Gang durch die Erde, daß man vom Wohnraum ungesehen in den Wald gelangen konnte.
    Und als sie damit fertig waren, als die Nacht über dem Walde lag, zündete Bhima das Haus an, und alle sechs flohen in den Gang.
    Doch wehe: in dem dichten, giftigen Rauch des Harzes taumelten sie wie Trunkene, fanden sich nicht zurecht, fielen eines über das andere und wären sicher jämmerlich erstickt, wenn Bhima nicht alle fünf in seine starken Arme genommen und ins Freie getragen hätte. Auch hier mußte er noch gewaltig kämpfen, denn weit um das Haus hatte sich eine dichte Rauchhaube gelegt. Doch wie sein Vater, der Sturmgott, brach er mit seiner schweren Last durch das Unterholz, bis er endlich in frischer Luft anhielt. Im ersten Dämmern des Morgens sah er sich vor einem riesenhaften Banyanenbaum.
    Der Banyanenbaum ist eines der vielen Wunder Indiens: von jedem seiner wagrechten Äste sendet er Ranken zur Erde, die dort wieder Wurzel schlagen, zu Stämmen erstarken und so das Astwerk weit hinaus tragen. Hunderte und Tausende von Stämmen hat so ein einziger aller Baum, und in seinem Schatten können ganze Heere lagern.
    Solch einen Baumriesen hatte Bhima gefunden, und unter dessen Blätterdach bettete er die betäubte Mutter mit seinen Brüdern und lief um Wasser.
    In dem Harzhaus aber verkohlte die Paria mit ihren fünf Söhnen und Durjodhanas gewissenloser Haushälter.
    Als sein Herr nach Wochen in den Wald kam, um zu sehen, ob sein Befehl pünktlich befolgt worden sei, fand er unter den Trümmern des verbrannten Hauses sieben verkohlte Leichen. Da glaubte Durjodhana seinen Streich vollauf geglückt. Jubel im Herzen, Trauer im Antlitz, ließ er die vermeintlichen Reste der Pandava nach Hastinapura schaffen, und der blinde König mußte zu Ehren der »Verunglückten« eine prächtige Totenfeier abhalten.

Bhimas Abenteuer
    Als Bhima, nachdem er sich erfrischt hatte, mit einem Helm voll Wasser zurückkehrte, fand er Mutter und Brüder in ruhigem, tiefem Schlaf.
    Ungestüm wallte sein Blut durch die Adern, da er vor den Unglücklichen stand.
    In heißem Zorn biß er die Zähne zusammen und klagte dem Himmel das Elend der Seinen: Hier ruhten die Edlen, die im Prunk der Paläste erwachsen waren, auf rauher Erde, in Wind und Wetter, inmitten der Wildnis. Ärmer als die Ärmsten waren die Herrscher des Landes!
    Er gelobte, über ihrem Schlaf, dem einzigen Geschenk eines zürnenden Schicksals, in steter Treue und ohne Ermatten zu wachen.
    Nicht weit vom Lager der Pandava hauste unter einem mächtigen Feigenbaum der Riese Hidimbas mit seiner Schwester Hidimbaa.
    Gar schrecklich war dieser Waldgeist anzusehen, als er sich im Erwachen auf seinem Laublager wälzte: wohl doppelt so lang und so breit als ein Mensch, rothaarig und -bärtig, mit kleinen, tückischen schwarzen Augen in seinem braunen, häßlichen Gesicht, aus dessem breiten Maul acht weiße, spitzige Zähne gierig hervorlugten. Denn Hidimbas war ein Menschenfresser und der leise Morgenwind hatte ihm den Geruch der lagernden Pandava zugeweht.
    Er gähnte langhin, juckte sich im Haar und weckte die Schwester mit einem freundlichen Fausthieb:
    »He! Hidimbaa, mein gutes Schwesterlein, ich rieche Menschenfleisch: Sieh dich doch ein wenig um und bring' die Leckerbissen her! dann wollen wir ein köstliches Mahl halten und lustig sein!«
    Hidimbaa erhob sich mürrisch und ging, dem feinen Geruch nach, durch den Wald, während ihr Bruder sich wohlig auf seinem weichen Lager räkelte und von dem leckeren Gericht träumte.
    Doch kaum sah Hidimbaa den wachenden Bhima von weitem, so wandelte sich ihr Sinn, und heiße Liebe zu dem schönen und starken Helden fiel in ihr ungefüges Herz.
    Rasch flüsterte sie ein Zaubersprüchlein, das sie in ein schönes Menschenweib verwandelte, und schritt

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