Sagen und Märchen Altindiens
so daß das Geschoß vorbeistreifte und nur den Turban samt Indras Diadem von Ardschunas Haupte riß. Der aber zerfiel im Gifte des Schlangendämons zu Asche und Staub. Rasch kroch Asvasena zu Karna zurück, gab sich ihm zu erkennen und bat, ihn noch einmal auf Ardschuna abzuschießen.
Doch der Held wies den Giftwurm zurück: »Nie will ich mit Wissen unehrlich kämpfen, und stünden mir zehn Ardschuna gegenüber statt des einen!«
Da kroch der Schlangenfürst wieder zu Ardschuna, um allein seine Rache zu nehmen. Doch der wackere Krischna sah die Natter kommen, und der Gandivaspanner zerstückte sie mit fünf Pfeilschüssen.
Im folgenden Gefecht traf ein Pfeil Ardschunas Karna in die Brust, so daß dieser wankend die Waffen sinken ließ. Nach ritterlichem Brauch senkte auch Ardschuna die seinigen, um zu warten, bis sich sein Gegner gefunden hätte.
Aber Krischna trieb zum Kampf: »Schone den Feind nicht, wenn du ihn geschwächt hast!« rief er. »Auch Indra hat die Dämonen vernichtet, ohne Großmut zu üben!«
Doch Karna hatte sich schon erholt, und seine Pfeile schwirrten von neuem. Einer traf Ardschunas Banner, daß der Affe, sein Wappentier, laut aufheulte.
Doch nun war Karnas Wagen in einen Sumpf geraten, und das rechte Rad steckte tief im Morast.
»Halt!« rief der Edle, »laß mich meinen Wagen herausheben tapferer Ardschuna! Du wirst nicht auf einen Wehrlosen schießen!«
Doch da Ardschuna auf Krischnas Rat fortfuhr, Pfeil auf Pfeil zu versenden, ließ auch Karna den Bogen nicht sinken und schoß ein schweres Eisen gegen des Feindes Brust.
Ardschuna schwankte betäubt von dem furchtbaren Schlag, und Karna sprang vom Wagen und legte die starken Hände ans Rad.
Krischna erfrischte den Wankenden, und rasch fand sich Ardschuna wieder. Ein Halbmondeisen, von Gandivas Sehne geschnellt enthauptete den edlen Karna, der noch immer vergebens an seinem versunkenen Rade zerrte.
Gellendes Triumphgeschrei der Pandava schreckte die Kuru aus der Stille ihres Entsetzens.
Der Leib des getöteten Karna aber strahlte in überirdischem Licht gegen die untergehende Sonne.
Krischna und Ardschuna bliesen Siegesjubel auf ihren Muscheln, und die Krieger schritten ins Lager, um sich für die letzten Kämpfe im Schlafe zu stärken.
Sieg, Rache und Klage
Die letzten Krieger der Kauravaheere sammelten sich am nächsten Morgen unter Schaljas Führung zu ehrenhaftem Untergang in der Schlacht. Schweigend und grimmig rückten sie gegen das Pandavaheer vor und fochten wie Männer, die zu sterben wissen. Schalja, der König der Madra, fiel zuerst im Kampfe gegen Judhischthira. Der Bodschafürst Kritavarman verlor im Gefecht seinen Wagen und entwich auf flüchtigen Füßen. Durjodhana ward von seinem Wagenlenker verwundet aus der Schlacht gefahren.
Bhima und Ardschuna wüteten in dem Häuflein von Feinden. Schakuni, der tückische Oheim der Kuruprinzen, fiel unter Sahadewas Schwert. Das Kuruheer war vernichtet, nur wenige Recken waren entflohen.
Unter der Führung Dhrischtadjumnas zog das Pandavaheer in das Lager zurück. Die fünf Pandusöhne aber, mit Krischna, streiften über das Leichenfeld und suchten lange den König Durjodhana.
Endlich fanden sie ihn, bis an den Hals in einem Teiche liegend und seine Wunden kühlend.
Bhima schmähte den Gebrochenen, daß er als König aus der Schlacht geflohen sei. Durjodhana raffte sich auf und forderte Bhima zum Keulenkampf heraus.
Da freute sich der grimmige Sohn des Sturmgottes.
Als beide Gegner gerüstet waren, schlugen sie los und zerfleischten einander mit den Keulen, wie Elefanten mit den Hauern.
Doch keiner konnte dem andern obsiegen.
War Bhima der Stärkere, so war Durjodhana der Schnellere, und der Kampf hätte nie seine Entscheidung gefunden, wenn nicht Krischna dem Bhima zugerufen hätte: »Denk' an Draupadis Schmach!«
Ardschuna schlug sich auf den Schenkel, um dem Gedächtnis des Schwerfälligen aufzuhelfen, und Bhima verstand.
Als Durjodhana zu neuem Angriff zurücksprang, zerschmetterte ihm der Pandavarecke mit mächtigem Keulenschlag das Bein, welches der Böse einst Draupadi zu niedriger Dienstleistung hingestreckt hatte.
Wohl schalt Baladeva, Krischnas Bruder, der dem Kampfe zugesehen hatte, Bhima einen unehrlichen Kämpfer, denn die Regel des Keulenkampfes verbot es, unter den Gürtel zu schlagen, aber Krischna verteidigte jegliche List im Kriege gegen Feinde, die durch Lug und Trug den Frieden gebrochen hatten:
»Keiner richte die Menschen, die nur nach dem
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