Sagen und Märchen Altindiens
Gegnern freute den Sohn des Sturmgottes am meisten. Manchen hatte er schon erlegt, viele zur Flucht in die Heerhaufen der Kuru getrieben, als plötzlich der Malavafürst Indravarman auf einem übermächtigen Bergelefanten gegen ihn antrabte.
»Halloh! Starker Bhima!« rief er. »Da kommt ein Tier, das dich nicht fürchtet! Mein Asvatthama ist der Stärkste unter seinen Brüdern und scheut vor keiner Waffe!«
»Asvatthama heißt das gute Tierchen?« rief Bhima voll Hohn und überschüttete den gepanzerten Riesen mit Pfeilen. Aber der Elefant kehrte sich nicht an die abprallenden Geschosse und rückte langsam, mit eingerolltem Rüssel, gegen den Wagen Bhimas vor. Bhima warf dem Heranschreitenden seine Speere entgegen, aber auch die konnten den guten Panzer nicht durchschlagen. Schon war der Elefant da, ein Fußtritt zertrümmerte den Wagen und, wie eine Riesenschlange fuhr unter dem Panzer der Rüssel hervor, um Bhima zu fassen.
Aber Bhima war schneller: mit starker Hand packte er den Rüssel und riß ihn mit gewaltigem Ruck aus dem Kopf. Stöhnend und blutüberströmt brach der Bergriese zusammen. Jauchzend schlug Bhima den Stürzenden, wie zum Hohn, mit dem blutigen Rüssel auf das Haupt, dann sprang er, seine Trophäe schwingend, davon und jubelte:
»Damit hab' ich den starken Aswatthama erschiugen!«
Krischna, Ardschuna und Judhischthira hörten den Jubel des Siegestrunkenen. Bhima mußte den Hergang erzählen, und der listenreiche Krischna riet: Bhima solle seine jubelnde Rede vor Drona wiederholen.
Sie fuhren alle dorthin, wo Drona noch immer im Kampfe gegen die vielen Gegner stand, und Bhima jubelte dort aus voller Kehle:
»Damit hab´ ich den starken Aswatthama erschlagen!«
Drona erschrak, denn er glaubte, daß sein Sohn Aswatthama von Bhima erschlagen worden sei. Aber er ließ die Waffen nicht sinken und fragte den schweigenden Judhischthira:
»Ist Aswatthama wirklich gefallen, du wahrheitliebender König der Gerechtigkeit?«
»Ja, der Schlachtenriese ist tot!« sprach Judhischthira ernst, nachdem Krischna ihm einige Worte zugeflüstert hatte.
»Wehe!« rief der Greis und ließ seine Waffen sinken.
Dhrischtadjumna, dem der Gewaltige heute den Vater getötet hatte, sprang vor: Mit starkem Schwertschlag schlug er das gebeugte Haupt des trauernden Greises vom Rumpf und warf es in die Heerhaufen der entsetzten Kaurava.
Karnas Tod
In wilder Flucht eilten die Haufen zurück, als ihr Feldherr gefallen war. Aswatthama kam des Weges, und als er von den Erschreckten hörte, welch böse List über die sieghafte Kraft seines Vaters triumphiert hatte, da hob er die Faust zum Himmel und schwor:
»Ich will ihn rächen, und müßte ich so falsch werden wie Krischna!«.
Mit trotziger Rede sammelte er die Flüchtlinge um sich und führte sie wieder gegen den Feind, bis die Sonne hinler dem Berge Asta versank.
Karna ward nun von Durjodhana zum Oberfeldherrn ernannt, und der Scharen trotziges Schlachtgeschrei bewies, daß der Mut der Kaurava noch nicht gebrochen war.
Mehrere Male stießen Karna und Ardschuna am Tage nach Dronas Tod zusammen, aber der Sohn des Sonnengottes mußte stets weichen: nicht vor des Pandava größere Kraft und Tapferkeit, sondern vor Krischnas unüberwindlicher Wagenführung!
Am nächsten Morgen trat Karna deshalb vor Durjodhana und bat ihn, er möge Schalja, den König von Madras, der weit und breit als der kundigste Wagenlenker galt, für heute zu seinem Kampfgenossen bestimmen.
Der stolze Schalja weigerte sich anfangs, dem ›emporgekommenen Fuhrmannssohn‹ Dienste zu leisten, doch auf Durjodhanas eindringliche Bitte versprach er, Karnas Wagen im Kampfe zu führen, wenn er, der König und Königssproß, den Niedrigen, dem er heute dienen sollte, nach Herzenslust schmähen dürfe.
Nachdem ihm die vollste Freiheit der Rede zugesagt war, bestieg er mit Karna den Wagen, und sie fuhren auf das Schlachtfeld.
Aber die edlen Rosse stürzten nach den ersten Sprüngen zu Boden, und als Karna vom Wagen sprang und seine Lieblinge unter freundlichem Zuspruch aufrichtete, sah er Tränen in den Augen der treuen Tiere glänzen.
Traurig ob des üblen Vorzeichens, doch fest im Gefühl seiner Pflicht als Krieger, bestieg der Held wieder den Streitwagen und ließ die Rosse gegen den Feind lenken.
Viele siegreiche Kämpfe focht der Sonnensohn an diesem Tage aus. Mancher der starken Recken fand durch seine Waffen den Tod, manchen mußte er schonen um seines Versprechens willen: so den edlen
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