Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
Falcone, »gehörte dem Orden von Hund und Hahn an …«
»Ein religiöser Orden?«, fragte Mabel.
»Nicht im strengen Sinne des Wortes. Seine Geschichte reicht weit in die Vergangenheit«, erklärte Falcone. »Im 5. Jahrhundert wurde auf dem Gebiet des heutigen Frankreich ein Orden gegründet, der sich ›Hunderitter‹ nannte. Dieser von der Kirche anerkannte geistliche Ritterorden sah seine Aufgabe darin, den Glauben lebendig zu halten und Übergriffen gegen Christen Einhalt zu gebieten, wie sie damals an der Tagesordnung waren. Er wurde nach dem ersten Kreuzzug aufgelöst, und seine Mitglieder schlossen sich Ordensgemeinschaften an, die ähnliche Ziele verfolgten.«
»Dann war das wohl so etwas wie der Templerorden?«, fragte Munárriz.
»Soweit es den Gedanken der Verteidigung des Glaubens angeht, haben Sie Recht«, gab Falcone zu, »aber seine Regeln und eigentliche Aufgaben wichen in vielen Punkten von denen der Templer ab. Das Emblem des Hundekopfes stand für die Treue seiner Mitglieder zu Gott. In späteren Zeiten kam der Hahn als Hinweis auf ihre ständige Wachsamkeit hinzu.«
»Wollen Sie damit sagen, dass der Mann da dem Orden der Hunderitter angehört hat, einem Geheimbund, der vor weit über tausend Jahren aufgelöst wurde?«, erkundigte sich Mabel ungläubig.
»Nichts dergleichen.«
»Sie haben aber doch gesagt …«
»Er war Mitglied im Orden von Hund und Hahn «, fiel ihr Falcone leicht verärgert ins Wort, Er betonte die beiden letzten Wörter, um den Unterschied hervorzuheben.
»Ach so …«, murmelte Mabel.
»Der Orden der Hunderitter wurde wie gesagt nach dem ersten Kreuzzug aufgelöst«, fuhr er fort. »Danach hat man bis zum 19. Jahrhundert nichts mehr von ihm gehört.«
»Wurde er dann etwa neu gegründet?«, wollte Munárriz wissen.
»In gewisser Hinsicht ja«, gab Falcone nach kurzer Pause zurück. »Ich will versuchen, Ihnen das in knapper Form zu erklären. Im 13. Jahrhundert rief der heilige Dominikus im Languedoc zum Kampf gegen die Ketzerei der Katharer den Predigerorden ins Leben, dem außer Mönchen auch die Nonnen des Zweiten und Dritten Ordens angehörten.«
»Die Dominikaner«, sagte Mabel.
»Richtig«, bestätigte Falcone und fragte gleich nach: »Wissen Sie auch, worauf der Name zurückgeht?«
»Auf den Gründer des Ordens, den heiligen Dominikus.«
»Der Gedanke liegt nahe«, sagte er mit feinem Lächeln, »aber das stimmt nicht. Im Jahre 1229 konstituierte sich nach dem Konzil von Toulouse mit der Inquisitio Hereticae Pravitate ein geistliches Gericht der Bischöfe, dessen erster Vorsitzender Robert de Brouge war.«
»Die Inquisition«, entfuhr es Munárriz.
»Ja, oder besser gesagt, das Heilige Officium. Zwei Jahre später«, fuhr Falcone fort, »übertrug Papst Gregor IX. diesem kirchlichen Gericht gewisse Vollmachten, was als die eigentliche Geburtsstunde der Inquisition angesehen werden muss. Daraufhin wurden aus dem Predigerorden, der jetzt sozusagen den Segen von oben hatte, gegen Feinde des Glaubens aktiv vorzugehen, die Domini canes , wörtlich ›die Hunde des Herrn‹. Als schon bald überall im christlichen Europa Scheiterhaufen loderten, sah sich der Papst genötigt, den Eifer der Dominikaner zu bremsen, und ordnete an, jedem Inquisitor dieses Ordens einen Franziskaner beizugeben.«
»Wollen Sie etwa darauf hinaus, dass der Mann da ein Inquisitor des 21. Jahrhunderts war?«, fragte Munárriz ungläubig und wies auf das Foto mit dem Toten.
»Es ist noch weit schlimmer«, klagte Falcone. »Die Inquisition herrschte mit eiserner Faust und hatte gerade hier in Spanien ganz besonders grausame Vertreter. Ich denke da an Diego Rodríguez Lucero, den Inquisitor von Córdoba, der bei einem einzigen Autodafé hundertsieben Menschen lebend dem Scheiterhaufen überantwortete. Im übrigen Europa sah es allerdings nicht viel besser aus. Die Dominikaner gingen ohne jedes Erbarmen gegen Ketzer vor. Volle sechs Jahrhunderte lang hat die Kirche den Menschen ihren Willen aufgezwungen, unter anderem auch aus praktischen Erwägungen, denn sie hat die Inquisition als Werkzeug der weltlichen Herrschaft des Vatikans auch zur Durchsetzung politischer Ziele eingesetzt.«
»Bis ihr im Jahre 1813 die Verfassung von Cádiz ein Ende bereitete«, trug Mabel vor, woran sie sich aus dem Geschichtsunterricht erinnerte.
»Ja. Aber das endgültige Ende kam erst während der Regentschaft von Doña María Cristina, die am 15. Juli 1834 die vollständige Abschaffung der Inquisition
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