Sagrada: Mystery-Thriller (German Edition)
anordnete. Seither mussten die Dominikaner mit ansehen, wie das Ergebnis ihrer Bemühungen von sechs Jahrhunderten zuschanden wurde. Das mochten manche von ihnen nicht hinnehmen …«
»Woraufhin sie einen neuen Orden ins Leben riefen«, folgerte Mabel aus seinen Worten.
»So in etwa«, sagte Falcone mit einem Lächeln. »Mehrere Mitglieder des Ordens, die man aus der Gemeinschaft ausgeschlossen hatte, weil sie mit der Abschaffung der Inquisition nicht einverstanden waren, beschlossen, deren Geist auf eigene Faust außerhalb der bestehenden Gesetze und der Amtskirche am Leben zu erhalten. Da sie praktisch mittellos und unorganisiert waren, gerieten sie bald in die Fänge der Justiz. Doch es gab auch andere, die nicht bereit waren, im Laufe von Jahrhunderten erworbene Vorrechte zum Kampf für ihre Religion fahren zu lassen. Sie fanden sich überwiegend unter den Angehörigen militärisch ausgerichteter religiöser Gesellschaften.«
»Fanatiker …«, sagte Munárriz.
»Gewiss«, bestätigte Falcone. »Aber richtig gefährlich wurden sie erst, als sie beschlossen, sich straff zu organisieren und eine Art Bruderschaft zu gründen.«
»Wann war das?«, erkundigte sich Mabel.
»Genau zu der Zeit, als der Modernismus aufkam. Die Vertreter dieser agnostisch und innerweltlich orientierten Bewegung waren entgegen der kirchlichen Lehre der Ansicht, der Mensch könne dem Göttlichen nur auf sich selbst gestellt nahekommen, ohne Mittler. Da der Modernismus immer mehr Anhänger gewann, verdammte ihn Papst Pius X. im Jahre 1907 in seiner Enzyklika Pascendi Domini gregis , doch war die Bewegung bereits tief in der Gesellschaft verwurzelt. Täglich wurden mehr Stimmen laut, die entgegen der Lehre der Kirche die Wahrheit der Bibel in Frage stellten. Zu ihnen gehörte Charles Darwin, der in seiner Evolutionslehre die im Schöpfungsbericht niedergelegte Vorstellung von der Erschaffung der Welt und der Lebewesen gleichsam mit einem Federstrich auslöschte …«
»Die Kirche sah sich also in die Enge getrieben«, sagte Munárriz.
»In gewisser Weise ja«, stimmte ihm Falcone zu. »Daher schlossen sich reaktionäre Kräfte gegen Strömungen zusammen, die sie als ketzerisch ansahen. Im Jahre 1887«, fuhr er fort, »berief eine Gruppe aus dem Orden ausgestoßener Dominikaner eine Zusammenkunft aller katholischen Gruppen ein, die als Geheimbünde im Untergrund tätig waren. Dabei wurde nach langen Debatten der Orden von Hund und Hahn gegründet, und zwar in der Kirche Delle Anime del Purgatorio ad Arco in Neapel. Obwohl diesem neuen Orden Vertreter unterschiedlicher ideologischer Ausrichtungen und verschiedener Gesellschaften angehörten, trieb sie ein und dieselbe Kraft an: der Hass auf die Feinde der Kirche … Er setzte sich drei Ziele: den Kampf gegen die Ungläubigen, die Verteidigung der orthodoxen Lehre des Katholizismus und strengstes Verschweigen seiner Geheimnisse gegenüber Unbefugten.«
»Also eine Art geistlicher Ritterorden wie in früheren Zeiten …«, sagte Munárriz.
»… dessen Mitglieder einander an einer Tätowierung unter der Zunge erkennen, die den Kopf eines Hundes mit einem Hahn darauf zeigt«, schloss Mabel.
»Ja«, antwortete Falcone beiden. »Seither bereitet er der römischen Kirche erhebliche Kopfschmerzen, weil er nach seinen eigenen Gesetzen und eigenem Gutdünken außerhalb ihrer tätig ist. Seine Mitglieder beeiden ihre Kampfbereitschaft mit den Worten ›Nicht uns, sondern Deinem Namen soll aller Ruhm gelten‹. Genau wie einst die Tempelritter geloben sie, ihr Leben zur Verteidigung und Bewahrung des Glaubens einzusetzen. Sie unterwerfen sich einer harten militärischen Ausbildung, die man ohne Weiteres mit der amerikanischer Eliteeinheiten vergleichen kann, und tragen bei ihren Zusammenkünften sackleinene Gewänder mit einer schwarz-weißen Kordel um die Taille, von der ein Kreuz herabhängt. Sie verätzen sich Hände und Füße mit Säure, damit man sie nicht identifizieren kann, kasteien ihren Leib, um sich zu läutern, und üben ihre Tätigkeit nie im Lande ihrer Geburt aus. Sie überqueren Ländergrenzen ungesehen, verkehren miteinander auf Esperanto, der offiziellen Sprache des Ordens, und nehmen bei anderen Gelegenheiten mittels des Morse-Alphabets Kontakt miteinander auf …«
»Esperanto?«, fragte Munárriz verblüfft.
Falcone nickte.
»Es gibt auf der ganzen Welt Anhänger dieser Kunstsprache, die ein Pole namens Ludwik Zamenhof im Jahr der Ordensgründung als Sprache für die
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